Vital Burger sorgt für die Mitreisenden aus dem Westen in jeder Hinsicht. Das Bild zeigt einen Mann der Firma "Schwejtsarskoe moloko" (Schweizer Milch) und Musikerinnen, die speziell für die Gäste aufgetreten sind. (Foto Stefano di Lorenzo)

Aus der Schweiz mit Liebe — eine Entdeckungsreise durch Russland

(Red.) Die meisten Deutschen und Schweizer haben von Russland eine falsche Vorstellung – eine viel zu negative, eben so, wie die Russland-Hass verbreitenden Medien Russland darstellen. Als kleiner Beitrag zu einem besseren Verständnis organisiert der Schweizer Vital Burger regelmäßig Reisen nach Russland. Dort haben die neusten Mitreisenden auch den Globalbridge-Autor Stefano di Lorenzo kennenlernen können, der seinerseits dazu einen kurzen Beitrag geschrieben hat. (cm)

Für viele Europäer ist Russland seit jeher eine ferne, geheimnisvolle und sogar bedrohliche Welt. Als wäre Russland ein europäisches Land, also uns nah, aber in Wirklichkeit nicht ganz europäisch. Im letzten Jahrhundert war es das kommunistische Schreckgespenst, heute ist es der Krieg in der Ukraine: Das sind die häufigsten Assoziationen, wenn von Russland die Rede ist. Aber das heutige Russland ist ganz anders als das Bild, das viele Europäer von ihm haben.

Das haben eine Gruppe von Touristen aus der Schweiz und Deutschland entdeckt, die Russland kürzlich auf einer vom Verein «Freunde des Kaukasus» organisierten Reise besucht haben. Der Präsident des Vereins, Vital Burger, ist auch Vizepräsident der Gesellschaft Schweiz-Russland, die gerade in diesen Tagen ihr hundertjähriges Bestehen feiert. Vital Burger kennt Russland sehr gut und war schon mehr als fünfzig Mal in diesem Land. Für viele der Besucher aus der Schweiz war es hingegen das erste Mal. Eine Gelegenheit, eine neue und andere Welt kennenzulernen, die aber letztlich gar nicht so anders ist als die, an die die Europäer gewohnt sind. 

Die Reise dauerte zwei Wochen, die Dauer des elektronischen Visums für Russland, das innerhalb weniger Tage mit einem einfachen Online-Antrag beantragt werden kann. Übrigens hat das russische Parlament kürzlich einen Gesetzentwurf verabschiedet, der die Gültigkeitsdauer des elektronischen Visums von 16 auf 30 Tage verlängern soll. Mehr als eineinhalb Millionen Menschen besuchten Russland im Jahr 2024 zu touristischen Zwecken, doppelt so viele wie im Jahr zuvor, als das elektronische Visum eingeführt wurde. Mehr als die Hälfte der Touristen, die 2024 nach Russland kamen, stammten aus China. An zweiter Stelle lag Deutschland mit 65.800 Besuchen.

Es gibt nicht nur Moskau und Sankt Petersburg

Die Reise der schweizerischen und deutschen Touristen begann in Kaliningrad. Dies ist einer der bequemsten Orte, um die Grenze zwischen der Europäischen Union und Russland zu überqueren. In der Regel dauert die Grenzkontrolle zwischen Polen und Russland etwa zwei Stunden. Von Kaliningrad aus kann man dann mit dem Flugzeug die anderen großen Städte Russlands erreichen. Kaliningrad, ehemals Königsberg, gehört sicherlich zu den europäischsten Städten Russlands, nicht nur wegen seiner geografischen Lage an der Ostsee zwischen Polen und Litauen, sondern auch wegen seines historischen und kulturellen Erbes und seiner Architektur.

Die Entdeckung Russlands führte die Gruppe natürlich auch nach Sankt Petersburg, der Hauptstadt Russlands zwischen 1703, dem Jahr ihrer Gründung, und 1922, sowie nach Moskau. Auf der Reise zwischen den beiden Hauptstädten hatten die Schweizer und deutschen Touristen auch die Möglichkeit, das kulturelle und religiöse Erbe Russlands in Jaroslawl und Susdal kennenzulernen, historischen Städten mit einer tausendjährigen Geschichte, die Teil des sogenannten „Goldenen Rings“ sind. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Städten, die ein paar Stunden mit dem Zug östlich von Moskau liegen und als Juwelen der Kultur der alten Rus gelten. 

„Was mir gefallen hat, ist die Kultur“, sagt Rita aus dem Kanton Zürich. „Es ist so eindrücklich in den Städten, in Moskau und Sankt Petersburg. Und in Susdal war es, wie in einem Museum spazieren zu gehen. Die Kirchen haben mich sehr beeindruckt. In Moskau auch waren wir in einer kleinen Kirche, und dort hat eine Nonne versucht, uns alle Bilder zu erklären. Das fand ich rührend. Sie hat versucht, mit uns zu sprechen, auch mit Gesten, aber es kam so von Herzen.“

Für viele Besucher war eben die Herzlichkeit und Einfachheit, mit der sie von vielen Russen empfangen wurden, das Schönste an dieser Reise.

„Mir haben die Menschen gefallen. Im Zug sah eine ältere Dame mir gegenüber und versuchte mit mir zu kommunizieren. Sie hat mich am Ende eingeladen, bei ihr zu wohnen. Das nennt man Gastfreundschaft. Sie hat ganz viel zu erzählen gehabt“, fährt Rita fort.

Für Fredy aus dem Kanton Aargau war es nicht das erste Mal in Russland. Aber auch diesmal war er eindeutig positiv beeindruckt. „Die Menschen sind sehr entgegenkommend. In zwei Restaurants wurden wir von Frauen angesprochen, die gehört haben, dass wir Deutsch sprechen. Das hat mich auch sehr gewundert. So ist auch ein Dialog entstanden. Bei uns ist das nicht mehr möglich.“ 

Auch hinsichtlich der materiellen Aspekte des Lebens in Russland hat sich Fredy eine positive Meinung gebildet: „Die Russen sind stärker geworden und haben sehr viel an Selbstvertrauen gewonnen.“ 

„Für mich hat es den Eindruck gemacht, dass Russland uns in nichts nachsteht und teilweise sogar weiter ist. Vor allem habe ich die Digitalisierung bewundert, wie weit diese schon ist. Die Russen leben hier gut und sie können auch stolz sein.“

Jenseits der Stereotypen

In den letzten Jahren hat man nicht viel Positives über Russland gehört. Für viele Europäer ist Russland einfach zu einer Projektionsfläche für das Andere geworden, auf die sie ihre Ängste projizieren. Die Russen würden dieses Phänomen als „Russophobie“ bezeichnen, eine instinktive Abneigung gegen alles Russische. Für viele Russen war gerade diese Russophobie einer der Hauptgründe für den Krieg in der Ukraine.

„Die Klischees in den westlichen Medien entsprechen nicht dem, was wir hier erlebt haben“, sagt Rita. „Es werden Bilder vermittelt, die der Realität nicht entsprechen.“

Ist eine Rückkehr zu normalen Beziehungen zwischen Europa und Russland möglich?

„Russland ist ein europäisches Land mit europäischer Kultur“, sagt Vital Burger, der Organisator der Reise. „Wladiwostok zum Beispiel ist eine europäische Stadt in der Nähe der östlichen Regionen Chinas.“

Heute sind die Beziehungen zwischen Russland und Europa angespannt. Aber viele Russen sind auch heute der Meinung, dass Russland ein europäisches Land bleibt. Gleichzeitig wächst die Anziehungskraft des Ostens.

Übrigens wird die nächste Reise, die vom Verein „Freunde des Kaukasus“ organisiert wird und für September geplant ist, gerade in den russischen Fernen Osten führen, nahe dem Dreieck zwischen China, Korea und Japan. 

„Die Zukunft der Welt entscheidet sich dort“, sagt Vital Burger.

(Red.) Siehe dazu auch die letzte Ankündigung weiterer Reisen von Vital Burger.

Globalbridge unterstützen