Auch das Schweizer «Echo der Zeit» wird zusehends unerträglich
Die Schweizer Nachrichtensendung «Echo der Zeit» jeweils am Abend um 18 Uhr ist nicht nur die älteste Nachrichtensendung des deutschsprachigen Schweizer Radios, sie war lange Zeit auch wirklich die beste Nachrichtensendung. Tempi passati. Seit David Nauer für die Berichterstattung aus Russland und aus der Ukraine zuständig war – ab 2016 – galt auch im «Echo» die Devise: Russland muss auf alle Fälle schlecht geredet werden. Jetzt ist David Nauer nur noch für die Ukraine zuständig. Geändert hat sich nichts. Hier das jüngste Beispiel.
Am Dienstag, 6. Juni 2023, um 01.50 Mitteleuropäischer Zeit wurde in der Ukraine der in mehrerer Hinsicht wichtige Dnepr-Damm von Nowa Kachowka zerstört – eine immense Katastrophe für Tausende von Menschen, die auf dem Land leben, das jetzt überschwemmt wird – und natürlich ein großes Thema für die Medien am darauffolgenden Tag. Die wichtigsten Fragen: Wem nützt diese Zerstörung des Damms? Wem schadet sie? Und da die Ukraine Russland für diese Zerstörung verantwortlich macht und Russland die Ukraine, war die wichtigste Frage: Wer ist verantwortlich?
Und was macht dazu das Schweizer «Echo der Zeit»? Es guckt rum, welcher Politologe die klare Meinung vertritt, dass Russland für diese Damm-Zerstörung verantwortlich ist. Die Redaktion wird fündig beim deutschen „Spezialisten“ Nico Lange, der schon am frühen Morgen des 6. Juni über Twitter seine „Erkenntnis“ bekannt gegeben hat:
Wunderbar! Dieser Experte eignet sich doch perfekt für ein Interview der Moderatorin des «Echo der Zeit»! Dass Nico Lange in seinen „Informationen“ bereits um 6 Uhr Morgens eine Information durchgegeben hat, die um sechs Nullen falsch ist („Wasserreservoir 18.000 Kubikmeter“ statt 18.000 000 000, also 18 Milliarden Kubikmeter), kümmert niemanden, auch Politologen dürfen ja schließlich schludern. Die Interviewerin vom «Echo» kann also problemlos kritische Fragen stellen, sie kennt ja die „richtige“ Antwort im Voraus. Da die Meinung des Befragten eh absolut klar ist, er wird ja auch von der Axel Springer-Zeitung «Die Welt» als „Experte“ befragt, ist die vermeintlich kritische Hinterfragung sogar eine gute Methode der Fragestellerin, sich selbst den Zuhörern als unabhängige Journalistin zu verkaufen. Aber so funktioniert eben der heutige Journalismus: Man wählt Experten aus, die die von der Redaktion gewünschte Meinung haben. So einfach ist es.
Wer ist übrigens dieser Nico Lange? Er hat es, nachdem er ein paar Jahre freiwillig Militärdienst bei der Bundeswehr geleistet und auch freiwillig an den völkerrechtswidrigen Einsätzen der NATO in Jugoslawien teilgenommen hat, an der Uni Greifswald immerhin zu einem Magister geschafft. Aber dann wählte er eine Karriere in der Bundeswehr bis ganz weit oben. Und selbst Wikipedia weiss, dass er schon zu Angela Merkels Zeiten zu den engen Vertrauten der damaligen Russland-feindlichen und kriegsgeilen deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer gehörte. Und jetzt arbeitet er für die Münchner Sicherheitskonferenz, die mittlerweile ja auch zu einem Propaganda-Institut des kollektiven Westens verkommen ist.
Nico Lange wirft im Gespräch mit dem Schweizer «Echo der Zeit» Russland vor – wörtlich! –, in der Ukraine einen «Vernichtungskrieg» zu führen (Minute 5.30 ff). Wo bitte hat Russland wahllos zivile Ziele bombardiert? Zumindest bis jetzt hat Russland immer klar definierte Ziele beschossen, militärische Ziele, Munitionsdepots, Bunker, etc., natürlich unter Inkaufnahme von zivilen Opfern als sogenannte Kollateralschäden, aber es hat im totalen Gegensatz etwa zum deutschen Vorgehen in Belarus im Zweiten Weltkrieg bisher keine Vernichtung ganzer Dörfer und ganzer Landstriche vorgenommen. Genau das ist auch der Grund, warum zum Beispiel in Kiev auch jetzt noch ein weitaus normales Leben vorherrscht, wie selbst «Echo der Zeit»-Redaktor David Nauer bestätigt.
«Es lohnt sich nicht, russische Nachrichten zu hören»
Der Zufall will es, dass vor ein paar Tagen in Zürich eine Podiumsdiskussion in der Aula des Realgymnasiums Rämibühl stattgefunden hat, in dem sich die Ausland-Redaktion des «Echos der Zeit» zum Thema Kriegsberichterstattung vorstellen konnte (hier zum Nachhören). Moderiert wurde die Diskussion von Matthias Kündig, dem Leiter der «Echo»-Redaktion, befragt wurden Susanne Brunner, die neue Chefin der Auslandredaktion, und David Nauer, der von 2016 bis 2021 formeller «Echo»-Korrespondent in Moskau war und jetzt für die Berichterstattung aus der Ukraine zuständig ist. Die ganze erste Hälfte und oft auch in der zweiten Hälfte des knapp 50minütigen Gesprächs ging es ausschließlich um die Frage, wie sich die Journalisten fühlen, wenn sie selber in einem Kriegs- oder Krisengebiet ihrer Arbeit nachgehen. Ein spannendes Thema natürlich, auch, weil die Journalisten dabei zeigen können, wie furchtlos und mutig sie sind. Erst ab Minute 25.30 war das Thema, und das nur für wenige Minuten, wie es mit der Informationsbeschaffung steht. David Nauer erklärte dazu, dass er Mangels Visum für Russland nur die ukrainische Seite besuchen könne, und wörtlich (Minute 27.20), es lohne sich nicht, die russischen Abendnachrichten zu hören, da es sich dort eh nur um Propaganda handle und man nichts Neues erfahre. Kein Wort darüber, dass im russischen Fernsehen oft sehr hart über diesen Krieg diskutiert wird, oft auch sehr kritisch, und dass da keineswegs nur eine Meinung zu hören ist. Und kein Wort darüber, dass die Ukraine extrem scharfe Verbote für jede Kommunikation zu diesem Krieg erlassen hat und dass dort der freie Journalismus schon vor dem Krieg (!) extrem eingeschränkt war und etliche Medien einfach verboten und geschlossen wurden. Böse ist ja nur Russland!
Schade! Susanne Brunner ist eine hervorragende Journalistin, ihre Berichte aus dem Nahen Osten waren und sind immer noch hoch informativ und keineswegs einäugig. Die Berichte von David Nauer dagegen sind bemerkenswert einseitig und mittlerweile echt unerträglich. Und, wie das Gespräch mit dem deutschen „Experten“ Nico Lange gezeigt hat, die Regel «Was immer auch Schreckliches auf dieser Welt passiert, schuldig sind immer die Russen» gilt jetzt offensichtlich auch für den Rest der «Echo»-Redaktion.
Kleiner Nachsatz: Wer die Ukraine kennt und wer selber auf der Krim war, weiss, wie unendlich wichtig der Nord-Krim-Kanal für die Landwirtschaft in der nördlichen Krim ist, der sein Wasser vom Dnepr bzw. aus dem Nowa Kachowka-Stausee bezieht. Es ist kein Zufall, dass Russland nach dem 24. Februar 2022 als fast Erstes den von der Ukraine zur Aushungerung der Krim geschlossene Kanal in die Krim wieder geöffnet hat. Aber jetzt soll Russland selber die Wasserzufuhr in diesen Kanal wieder verhindert haben?