In Russland gibt es nicht nur den Krieg!
(Red.) Große Medien sind konsequent bemüht, von Russland ein negatives Bild zu schaffen – nicht nur in Deutschland, auch in der Schweiz. Es gibt keine Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung ohne nicht mindestens einen peinlich negativen Artikel über Russland. Aber auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk tut die bis vor einigen Jahren hervorragende Informationssendung «Echo der Zeit» heute alles, um Russland in den Dreck zu ziehen. Als Schweizer kann man sich für die dominierenden Medien in diesem Land nur noch schämen. Und in Deutschland arbeiten Spitzenpolitiker wie Ursula von der Leyen oder Friedrich Merz sogar sichtbar daran, einen neuen Krieg gegen Russland vorzubereiten – von der aggressiven NATO ganz zu schweigen. Umso wichtiger ist, dass Leute, die in Russland leben oder öfter mal dort sind, eine andere Realität kennen. Zu ihnen gehört Stefano di Lorenzo. Er macht darauf aufmerksam, dass viele Russen ein glückliches Leben führen. (cm)
Vor wenigen Tagen erklärte NATO-Generalsekretär Mark Rutte, dass sich der Westen auf einen Krieg mit Russland vorbereiten müsse und dass dieser Krieg das gleiche Ausmaß haben werde wie der Krieg, den „unsere Großeltern oder Urgroßeltern durchlebt haben“. Laut Rutte „sind die dunklen Mächte der Unterdrückung wieder auf dem Vormarsch… Wir sind Russlands nächstes Ziel, und wir sind bereits in Gefahr.“
Es handelt sich um ein Argument, das in den letzten Jahren schon oft und in vielen Varianten zu hören war: Sollte Russland in der Ukraine „gewinnen“ oder sollte der Konflikt auch nur in einem Stadium eingefroren werden, das Russland als „Sieg“ bezeichnen könnte, dann würde sich Russland ermutigt fühlen, andere Länder anzugreifen, höchstwahrscheinlich NATO-Länder. Russland sehe Frieden nicht als den natürlichen Zustand der Welt an und wäre motiviert, einen weiteren Krieg zu beginnen. Dies ist das Argument der unnachgiebigsten Falken im Westen, die sich im Frühjahr 2022 und wahrscheinlich auch schon früher das Ziel einer strategischen Niederlage Russlands gesetzt hatten.
Doch im heutigen Russland denkt man, so unglaublich es auch scheinen mag, nicht nur an Krieg. Sicher, in seiner jährlichen Pressekonferenz „Direkte Linie“ sprach Putin viel über den Krieg. Aber er sprach auch über vieles mehr. Und wie jedes Jahr nähern sich die Neujahrsfeiertage, die sicherlich zu den beliebtesten Festen in Russland gehören. In diesen Wochen der Vorfreude scheinen die meisten Russen mehr damit beschäftigt zu sein, die kommenden Feiertage zu genießen, als einen apokalyptischen Krieg auf dem europäischen Kontinent zu entfesseln. Und laut einer aktuellen Umfrage des renommierten unabhängigen soziologischen Forschungsinstituts Levada ist die größte Sorge der Russen der Preisanstieg. Nach Angaben der russischen Zentralbank lag die Inflation im Jahr 2025 zwischen 6,5 % und 7 %.
Doch trotz der wirtschaftlichen Sorgen vieler sind die Menschen in Russland mit ihrem Leben zufriedener denn je. Das wird sicherlich viele Europäer schockieren, die daran gewöhnt sind zu glauben, dass Russland ein Gefängnis unendlichen Leidens ist, aus dem die Menschen nur massenhaft fliehen wollen. Aber gerade in diesen letzten Jahren sind die Russen immer zufriedener mit ihrem Leben geworden. Laut Levada lag der Anteil der „mit ihrem Leben zufriedenen“ Befragten in der letzten Umfrage bei 58 %, während der Gesamtanteil der „Unzufriedenen“ nur bei 12 % lag. Das ist ein Rekordwert. Der größte Anstieg der Zufriedenheit war in zwei Zeiträumen zu beobachten: 1998-2002 und 2023-2025. Von 2002 bis 2018 stieg die Zufriedenheit langsam von 30 % auf 43 %, von 2019 bis heute (nach Covid und dem Beginn des Krieges in der Ukraine) von 36 % auf 58 %. Man könnte sagen, dass es den Russen so gut geht wie nie zuvor. Trotz des Krieges.
Die zweitgrößte Sorge der Russen bleibt zwar der Konflikt in der Ukraine. Etwa ein Drittel der Befragten gibt an, dass dies eines der drängendsten Probleme für das heutige Russland ist. Aber obwohl die Unterstützung für die russischen Streitkräfte in der Ukraine mit 74 % weiterhin hoch ist (davon sind 42 % “entschieden dafür” und 32 % “eher dafür”), ist der Anteil der Russen, die glauben, dass es jetzt an der Zeit ist, zu Friedensverhandlungen überzugehen, weiter gestiegen und liegt nun bei 65 % (ein Anstieg von 4 Prozentpunkten in einem Monat). Gleichzeitig ist der Anteil derjenigen, die eine Fortsetzung der Militäraktionen für notwendig halten, auf ein Viertel der Befragten (26 %) gesunken, den niedrigsten Wert seit Beginn der Erhebungen. Kurz gesagt: Die Russen sehen den Krieg als notwendiges Übel, sind aber keine Kriegsfanatiker, die Europa angreifen wollen. Natürlich wird die Entscheidung, einen Krieg zu führen, oft innerhalb eines kleinen Kreises von Personen getroffen und hängt nicht vom allgemeinen Willen der Bevölkerung ab. Es ist jedoch schwer vorstellbar, dass ein Regierungschef ohne die Unterstützung der Bürger einen kontinentalen Krieg beginnen könnte, schon allein deshalb, weil es die Bürger wären, die zu einer Kriegsanstrengung in großem Maßstab beitragen müssten. Auch im Kreml muss man diese Dinge berücksichtigen, so unglaublich das für die westliche Öffentlichkeit auch erscheinen mag.
Natürlich wäre es etwas ganz anderes, wenn Europa beschließen würde, militärisch massiv in der Ukraine zu intervenieren. Dann würde sich die Stimmung in der russischen Bevölkerung radikal ändern. Schließlich wurden die Russen seit Generationen im Kult des Heldentums der Verteidiger des Vaterlandes erzogen und sehen im Patriotismus einen Grund zum Stolz, nicht etwas, wofür man sich schämen müsste, als wäre Patriotismus etwas Rückständiges. Die Russen lesen mit Besorgnis die Nachrichten über ein Europa, das sich auf den Krieg vorbereitet, und es ist schwierig, all dies als einfache russische Propaganda abzutun, wenn es die höchsten europäischen Politiker sind, die sich täglich dieser Art von militaristischer Rhetorik hingeben. Aber trotz allem gibt es immer noch mehr Russen, die lieber wieder frei in Europa Urlaub machen würden, als jene, die den Europäern den Krieg erklären möchten.