Wolodymyr Selenskyj, ein erfolgreicher Showman, dem es gelungen ist, sich als "Verteidiger europäischer Werte" zu positionieren, unbesehen der Fakten, dass die Ukraine das korrupteste Land Europas war und noch immer ist, dass er oppositionelle Medien mit rechtswidrigen Methoden zum Schweigen brachte und seine verfassungsmäßig notwendige Wiederwahl im Frühling 2024 der Gefahr wegen, dabei abgewählt zu werden, einfach absagte. Endlich gehen einigen westlichen Politikern die Augen auf, dass nicht zuletzt Selenskyj selbst eine Verlängerung des Krieges wünscht – und politisch auch aktiv betreibt. (Foto NDR)

«Selenskyj steht einer Friedenslösung im Weg»

(Red.) Die Schweizer Zeitschrift «Zeitgeschehen im Fokus» hat einmal mehr mit dem deutschen General a.D. Harald Kujat ein Interview gemacht, in dem dieser als aufmerksamer Beobachter der geopolitischen Situation seine Ansicht äußert, zurzeit sei es vor allem Wolodymyr Selenskyj selbst, der einer Beendigung des Krieges in der Ukraine im Wege stehe. Nicht zuletzt deshalb wächst sowohl im Westen als auch in der Ukraine selbst der Wunsch, ihn gegen einen Kompromiss-bereiten Präsidenten auszuwechseln. (cm)

Zeitgeschehen im Fokus: Trump hat seinerzeit versprochen, den Krieg in der Ukraine in 24 Stunden zu beenden. Der Krieg ist zwar noch nicht zu Ende, doch zumindest gab es Verhandlungen, die seit April 2022 gänzlich abgebrochen waren. In den letzten Monaten gab es verschiedene Verhandlungsrunden. Wie ist der aktuelle Stand?

General a. D. Harald Kujat Natürlich konnte der Konflikt nicht in 24 Stunden beendet werden. Aber Trump hat nach Amtsantritt begonnen, mit einem eigenen Friedensplan eine Grundlage für Verhandlungen zu schaffen. Zunächst wurden bilaterale Gespräche mit der Ukraine und Russland geführt, um die Positionen der Kriegsparteien besser zu verstehen und Kompromissmöglichkeiten auszuloten. 

Dann hatten die amerikanischen Unterhändler allerdings einen taktischen Fehler begangen, indem sie sich die ukrainische Forderung nach einem bedingungslosen Waffenstillstand öffentlich zu eigen machten, ohne sie vorher diskret mit Russland abzustimmen und bevor die eigentlichen bilateralen Verhandlungen begonnen hatten. 

Ein Waffenstillstand – das sehen wir im Nahen Osten – funktioniert nur, wenn in Verhandlungen eine gewisse Annäherung der Kriegsparteien erreicht wird und beide Seiten die Modalitäten zu seiner Einhaltung abgesprochen haben. Deshalb gab es keine Fortschritte, und es wurde lediglich ein Gefangenenaustausch vereinbart.

ZiF: Inzwischen hat Trump Russland beziehungsweise Putin ein 50-Tage-Ultimatum gestellt. Was will er damit erreichen, und wie hat Russ­land darauf reagiert?

Harald Kujat: Trump hat die Forderung erhoben, dass ein Deal, also ein Verhandlungsergebnis, in 50 Tagen erreicht wird. Der stellvertretende russische Aussenminister reagierte darauf mit der Bemerkung, dass Russland immer zu Verhandlungen bereit gewesen sei und auf eine Reaktion der Ukraine für den Beginn der nächsten Runde warte. Daraufhin kündigte Selenskyj die Fortsetzung der Verhandlungen für den 23. Juli an. 

Russland wollte konkret die Memoranden vom Juni besprechen, in denen beide Seiten ihre Positionen festgelegt haben. Dagegen war Selenskyj lediglich bereit, über weitere Gefangenenaustausche zu sprechen. So können natürlich keine Fortschritte zur Beendigung der Kampfhandlungen und keine Friedensvereinbarung erzielt werden. 

Stattdessen erneuerte Selenskyj seine Forderung nach einem direkten Gespräch mit Putin. Von der russischen Regierung wurde jedoch ein Treffen der beiden Präsidenten, bevor ein Vertragsentwurf ausgearbeitet ist, ausgeschlossen. Das entspricht der beabsichtigten Vorgehensweise im Zusammenhang mit den Verhandlungen im März/April 2022. 

Vereinbart wurde erneut nur ein Austausch von Kriegsgefangenen. Russland hat zudem die Übergabe weiterer Leichen ukrainischer Soldaten und eine Waffenruhe von 24 bis 48 Stunden angeboten, um Verletzte und getötete Soldaten zu bergen.

ZiF: Welche Vorgaben hat Trump im Zusammenhang mit seinem 50-Tage-Ultimatium gemacht?

Harald Kujat: Trump geht wie ein Geschäftsmann unilateral vor. Eine Zeit lang hat er Selenskyj unter Druck gesetzt und ihn wie Putin und Biden für den Krieg mitverantwortlich gemacht. Denken Sie nur an die spektakuläre Auseinandersetzung im Oval Office. Jetzt konzentriert er sich auf Putin, der das Momentum der gegenwärtigen militärischen Erfolge nutzen will und deshalb keinen Zeitdruck für einen Verhandlungsabschluss sieht. 

Ich gebe zu bedenken, dass dies keine unilaterale, sondern eine multilaterale Angelegenheit ist. Denn sollte es in der gesetzten Frist kein Ergebnis geben, will Trump Sekundärsanktionen verhängen. Diese richten sich vor allem gegen Braslien, China und Indien. Die Europäer sollen Waffen aus ihren Beständen an die Ukraine liefern und Ersatz in den USA kaufen. 

Deren Produktion wird einige Jahre in Anspruch nehmen, denn die amerikanischen Hersteller können den Bedarf nicht mehr decken, und die USA wollen ihren eigenen Bestand nicht reduzieren. Insbesondere für Deutschland bedeutet dies, eine gravierende Fähigkeitslücke akzeptieren zu müssen, bis der eigene Verteidigungsbedarf wieder gedeckt ist.

Übrigens trifft dies auch für die Schweiz zu, deren fünf bestellte Patriot-Systeme ab 2026 geliefert werden sollten. Durch die Priorisierung der Ukraine war nun völlig offen, wie gross die Verspätung sein würde. Die Schweiz hat deshalb entschieden, fünf IRIS-T SLM Luftverteidigungssysteme in Deutschland zu bestellen.

Ich möchte noch hinzufügen, dass der amerikanische Präsident sehr dezidiert angekündigt hat, keine weitreichenden Waffensysteme (z. B. Tomahawk) an die Ukraine zu liefern – und zugleich hat er die ukrainische Führung davor gewarnt, Moskau direkt anzugreifen. Ausgerechnet Deutschland schert aus der Bündnissolidarität aus – ein bisher einmaliger bündnispolitischer Vorgang. 

ZiF: Wie Sie dargelegt haben, dass Trump mit Sekundärsanktionen droht, bekommt der Ukraine-Krieg beziehungsweise dessen Beendigung eine viel grössere Dimension.

Harald Kujat: Ja, es gibt im weiteren Sinne geopolitische Zusammenhänge, wo sich die Interessen Russlands und Chinas insbesondere mit denen des Westens überschneiden. Ich denke an den Nahen und Mittleren Osten sowie den Kaukasus, an das ölreiche Aserbaidschan und den zunehmenden Einfluss der Türkei. Auch hier kreuzen sich chinesische und russische Interessen mit denen des Westens. Russland hat in diesen Regionen an Einfluss verloren – nicht zuletzt gegenüber Armenien und Aserbaidschan. 

Sollte sich Aserbaidschan in den Konflikt gegen den Iran einschalten, wären die Interessen Moskaus und Pekings sehr stark betroffen. Insofern hat Russland ein massives Interesse daran, den Krieg in der Ukraine möglichst schnell zu beenden, um seine Aufmerksamkeit und Kräfte auch wieder auf andere, aus russischer Perspektive ebenso bedeutsame Regionen richten zu können. 

ZiF: Aufgrund dieser von Ihnen erklärten Zusammenhänge stellt sich doch die Frage, wie lange sich Selenskyj in diesem Krieg noch halten kann.

Harald Kujat: Wegen der politischen und wirtschaftlichen Krise der Ukraine sowie nicht zuletzt aufgrund der immer kritischer werdenden militärischen Lage wächst der Druck, möglichst bald einen Verhandlungsfrieden zu erreichen. Der ukrainische Präsident befindet sich in einer gravierenden Legitimitätskrise. Seine Entscheidung, die Korruptionsbekämpfung einzuschränken, hat in mehreren grossen Städten erhebliche öffentliche Proteste ausgelöst. Zudem verstärkt sich der Eindruck, dass Selenskyj den Krieg verlängern will, um an der Macht zu bleiben. 

Dagegen will die amerikanische Regierung offenbar verhindern, dass Selenskyj weiter einer Friedenslösung im Wege steht; und sie will einen politischen Kollaps der Ukraine vermeiden. Die diplomatischen Bemühungen um eine Friedenslösung sollen offenbar mit ­einer neuen Regierung vorangetrieben werden. Denn auch die kritische militärische Lage erfordert baldige Fortschritte auf diesem Wege. Der gewöhnlich gut informierte amerikanische Journalist Seymour Hersh schrieb kürzlich, Selenskyj stünde auf einer «short list» für das Exil. 

Er könnte durch den ehemaligen ukrainischen Oberbefehlshaber Saluschnyj ersetzt werden. Obwohl erwartet wird, dass sich Selenskyj weigert, soll sein Rücktritt durchgesetzt werden. Zudem geht Trump davon aus – so lässt es sich dem erwähnten Artikel von Seymour Hersh entnehmen – dass Putin an einem Verhandlungsfrieden interessiert ist.

ZiF: Warum fällt Selenskyj, mit dem man trotz erheblicher Verluste an Menschen und Material seit drei Jahren Krieg führen kann, an dessen Entstehung die USA beteiligt waren, immer mehr in Ungnade?

Harald Kujat: Selenskyj ist auch von der Biden-Regierung kritisch gesehen worden, weil er sich nicht an Absprachen hielt und immer wieder weitreichende Waffensysteme forderte, um die USA und damit auch die Nato durch Angriffe auf der interkontinentalstrategischen Ebene – beispielweise auf das russische Frühwarnsystem – in den Krieg gegen Russland hineinzuziehen.  

Mit dem Angriff auf die russische strategische Bomberflotte ging er jedoch wohl für die Trump-Regierung zu weit. Denn das New START-Abkommen verpflichtet Russland und die USA, ihre interkontinentalstrategischen Bomber zu Verifikationszwecken offen auf dem Rollfeld aufzustellen. Die USA hätten ihren Verbündeten daran hindern müssen, die vertraglich geregelte, ungeschützte Aufstellung der russischen Flugzeuge für einen Angriff auszunutzen. 

Hinzu kommt, dass Trump ein Ergebnis, einen diplomatischen Erfolg, will – und dies so schnell wie möglich.  Der ursprüngliche amerikanische Friedensplan sah ohnehin Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in einem zeitlichen Zusammenhang mit einem Verhandlungsabschluss vor. Auch Putin bezeichnete Selenskyj als illegitimen Präsidenten, der nicht befugt sei, einen internationalen Vertrag zu unterschreiben. 

ZiF: Was kann sich verbessern, wenn nun Saluschnyj die Präsidentschaft in der Ukraine übernimmt, wie es die USA offensichtlich geplant haben? 

Harald Kujat: Saluschnyj hatte in seiner Zeit als militärischer Oberbefehlshaber im Gegensatz zu Selenskyj ausserordentlich hohe Zustimmungswerte und wurde von Selenskyj als ernstzunehmender Konkurrent gesehen. Saluschnyj war vor der ukrainischen Sommeroffensive 2023 skeptisch, ob diese mit den verfügbaren Kräften erfolgreich verlaufen würde. Er sollte Recht behalten und bewertete das Ergebnis dann auch nur als Patt, was Selenskyj öffentlich kritisierte. 

Saluschnyj wurde seines Postens enthoben und als Botschafter nach Grossbritannien geschickt. Tatsächlich hatte er die Lage richtig eingeschätzt. Ebenso wie der amerikanische Generalstabschef Mark Milley. Milley sagte, die ukrainischen Streitkräfte hätten erreicht, was für sie erreichbar gewesen sei. Nun müssten Verhandlungen folgen. Milley wurde ebenfalls in den Ruhestand versetzt.

ZiF: Es ist offensichtlich, dass die russische Seite immer für Verhandlungen bereit war, aber…

Harald Kujat: Putin hat von Beginn des Krieges an verhandelt, und das Ergebnis war für die Ukraine sehr positiv. Im Vertragsentwurf vom 15. April 2022 («Vertrag über die ständige Neutralität und Sicherheitsgarantien für die Ukraine»), der nur noch wenige offene Punkte enthielt, war vereinbart: 

– Die Ukraine bleibt, wie es die Verfassung bestimmt, neutral und wird nicht Mitglied der NATO.
– Es werden keine fremden Truppen auf ihrem Territorium stationiert.
– Die Ukraine benannte Staaten, die ihr Sicherheitsgarantien zusagten. Das waren beispielsweise Grossbritannien, China, Russ­land, die USA und Frankreich.
– Im Gegenzug ziehen sich die russischen Streitkräfte auf den Stand vom 23. Februar 2022, also vor dem Einmarsch zurück. 

Strittig waren noch die Grösse der ukrainischen Streitkräfte und die Zahl einzelner Grosswaffensysteme sowie die Frage, ob die Garantiestaaten im Falle eines bewaffneten Angriffs auf die Ukraine, nur auf der Basis einer von allen Garantiestaaten einvernehmlich getroffenen Entscheidung Hilfe leisten. Die Ukraine befürchtete, Russland könnte eine solche Entscheidung verhindern. Diese Fragen sollten jedoch kurzfristig zwischen den beiden Präsidenten gelöst werden. Selenskyj hat ebenso wie einige westliche Staaten, die zum Scheitern des Abkommens beitrugen, einen für sein Land tragischen Fehler begangen, indem er sich entschied, den Vertrag nicht abzuschliessen.

ZiF: Gab es nicht schon immer Anstrengungen – auch von anderen Ländern – , zur Beendigung des Kriegs beizutragen. Haben diese Bemühungen im jetzigen Kontext noch eine Bedeutung? 

Harald Kujat: China hatte schon vor einiger Zeit – auch gemeinsam mit Brasilien – konstruktive Vorschläge für eine Beendigung des Ukraine-Kriegs gemacht. Putin hat die chinesischen Vorschläge mehrfach als geeignete Ausgangsbasis für Verhandlungen bezeichnet. Es gibt aktuell Hinweise, dass Xi Jinping Trump und Putin für den 3. September nach Peking eingeladen hat. Zeitlich fällt dies etwa mit dem Ablauf des 50-Tage-Ultimatums Trumps für einen «Deal» zusammen. Ich halte diesen Dreiergipfel für einen wichtigen Schritt zur Verstärkung der diplomatischen Bemühungen auf dem Weg zu einem Ende des Krieges.

ZiF: Wie hat sich das Verhältnis zwischen Trump und den europäischen kriegführenden Staaten entwickelt?

Harald Kujat: Wir sehen jetzt ein immer weiteres Auseinanderdriften der USA und der Europäer. Trump bezieht gegenüber der Ukraine eine neutralere Position, indem sich die USA weitgehend aus der direkten Unterstützung der Ukraine vor allem mit Waffen zurückziehen. Er stärkt damit seine Rolle als Vermittler, der im Gegensatz zu den Europäern auf Diplomatie und Verhandlungen setzt. Die Europäer sollen amerikanische Waffen aus ihrem Bestand liefern, der dann in den nächsten Jahren mit Waffenkäufen in den USA wieder aufgefüllt wird. 

Sie nehmen somit für einen längeren Zeitraum eine Schwächung ihrer Verteidigungsfähigkeit in Kauf und finanzieren zugleich die Unterstützung der Ukraine «zu 100 Prozent», so Trump. Das ist «logisch», findet der NATO-Generalsekretär. Mag sein, denn Europa will den Krieg ja unbedingt fortsetzen. Der ursprüngliche deutsche Vorschlag sah übrigens etwas anders aus, nämlich dass die Waffen in den USA gekauft und in die Ukraine geliefert werden und Deutschland sie lediglich bezahlt. 

ZiF: Willigte die NATO ein, den Deal, den Trump vorgeschlagen hatte, anzunehmen?

Harald Kujat: Nach meiner Kenntnis haben sich bisher acht europäische Mitgliedstaaten dazu bereiterklärt. Das ist nicht «die NATO», auch wenn der NATO-Generalsekretär versucht, diesen Eindruck zu erwecken. Zahlen müssen die Mitgliedstaaten der Allianz, und dazu sind nicht alle bereit.

ZiF: Die NATO hat doch schon die Koordination der Unterstützung für die Ukraine übernommen. Was bedeutet es, dass die USA von ihrer bisherigen Rolle in diesem Stellvertreterkrieg abrücken und die NATO sie ersetzt?

Harald Kujat: Damit übernimmt die NATO nicht nur die Verantwortung dafür, dass die Ukraine die notwendigen Mittel für die Fortsetzung des Krieges erhält, sondern auch für die sich abzeichnende militärische Niederlage. 

ZiF: Wie sieht es in der EU aus? Die Verabschiedung des 18.Sanktionspaketes war doch auch kein Spaziergang.

Harald Kujat: Bereits beim ersten Sanktionspaket wurde erwartet, dass Russ­land gezwungen wird, den Krieg zu beenden. Jetzt sind wir bei Sanktionspaket Nummer 18, das wie die bisherigen grosse negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung Europas haben wird. Es sind jetzt aber auch China und Indien betroffen. Daraus entstehen zusätzliche Schwierigkeiten.

ZiF: In einer Schweizer Zeitung stand, ein US-amerikanischer General habe geäussert, die NATO plane, Kaliningrad zu erobern. Für wie realistisch halten Sie das Szenario?

Harald Kujat: Diese Aussage stammt nicht von einem NATO-Befehlshaber, sondern von dem nationalen amerikanischen Befehlshaber des US-Heeres in Europa. Ich nenne das «Strategie aus der Froschperspektive». Das wird Russland nicht beunruhigen, sondern in Moskau eher für Heiterkeit sorgen. Weder in Washington noch in Moskau gab es dazu eine Erklärung. Das spricht wohl für sich.

ZiF: Trifft mein Eindruck zu, dass die Kriegsrhetorik in Europa in letzter Zeit an Schärfe zugenommen hat?

Harald Kujat: Ich teile diesen Eindruck, möchte dazu aber nur eine grundsätzliche Anmerkung machen. 

Ich finde es ausserordentlich befremdlich, dass die Rhetorik deutscher Politiker den Geist des Grundgesetzes, unserer Friedensverfassung, vermissen lässt. Etwa wenn davon gesprochen wird, dass «wir» uns im Krieg mit Russ­land befänden, dass Russland immer unser Feind bleibt oder dass die Mittel der Diplomatie nicht geholfen hätten und «wir» jetzt anderweitig Druck auf Russland ausüben müssten. 

Die Sprache gewährt uns Zugang zum Bewusstsein eines Menschen. Wenn wir uns schon mental im Krieg befinden, sind wir uns dann wirklich über die Konsequenzen einer aktiven Kriegsbeteiligung im Klaren?

ZiF: Herr General Kujat, vielen Dank für das Gespräch.
Interview Thomas Kaiser

General a. D. Harald Kujat, geboren am 1.  März 1942, war unter anderem Generalinspekteur der Bundeswehr und als Vorsitzender des NATO-Militärausschusses höchster Militär der NATO. Zugleich amtete er als Vorsitzender des NATO-Russland-Rats sowie des Euro-Atlantischen-Partnerschaftsrates der Generalstabschefs. 

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