Ein internationales Musikfestival in einer Stadt in Belarus. Die städtischen Anlagen sind prachtvoll, Tausende von Gästen aus dem In- und Ausland sind fröhlich und glücklich! (Foto Stefano di Lorenzo)

Auch in Belarus scheint die Sonne – ein Tag auf dem Slawjanski Basar

(Red.) Die USA, Großbritannien und die EU sind ja nach wie vor daran, Russland und seine Verbündeten nicht nur finanziell zu schädigen, sondern auch deren Ruf richtiggehend kaputtzumachen. Wer allerdings selbst hinfährt, erlebt eine ganz andere Welt: frohe und glückliche Menschen und viele wunderschöne Städte. Gerade ist Stefano di Lorenzo wieder in Belarus und erlebt eine fröhliche Stadt. (cm)

Diese Woche findet in Witebsk, einer der ältesten Städte in Belarus, zum 34. Mal der Slawjanski Basar statt, zu Deutsch „slawischer Basar“. Es handelt sich um ein Musikfestival mit Musikern, Bands und Sängern aus Belarus, Russland und vielen anderen slawischen Ländern und nicht nur. Es ist eines der Musikereignisse des Jahres. Auch der Gott des Wetters scheint zu diesem Anlass ein Geschenk machen zu wollen, die Sonne scheint und es ist fast 30 Grad warm. Auch in Belarus ist der Sommer angekommen und es ist warm. Das mag banal klingen, aber es ist eine Feststellung, die sicherlich viele europäische Leser verblüffen dürfte, vor allem diejenigen, die höchstens alle fünf Jahre von Belarus hören, nur wenn hier Wahlen stattfinden.

In Europa kennen nur noch wenige den Slawjanski Basar. Dabei handelt es sich um eine Veranstaltung mit langer Tradition. 1965 fand in der polnischen Stadt Zielona Góra die erste Ausgabe des „Festivals des sowjetischen Liedes“ statt. Das waren andere Zeiten. Die Stadt Witebsk war damals mit Zielona Góra verschwistert, und so beschloss man 1988, das „Festival des polnischen Liedes in Witebsk“ zu veranstalten. Zu diesem Anlass wurde ein großes Sommeramphitheater mit 5.400 Plätzen gebaut. Dann nahm die Geschichte eine andere Wendung. Im Juni 1989 fanden die ersten freien Wahlen in Polen statt, die polnische kommunistische Partei verlor die Macht. Wenige Monate später fiel die Berliner Mauer, zwei Jahre später endete die Sowjetunion und Belarus wurde ein unabhängiger Staat. Und so änderte das „Festival des polnischen Liedes in Witebsk” nach nur zwei Ausgaben im Jahr 1992 sein Konzept und seinen Namen und wurde zum „Slavjanski Basar“, einer internationalen Veranstaltung, die der Musik und den Künsten aus slawischen Ländern gewidmet wurde.

Gefördert von Kulturorganisationen aus Belarus, Russland und der Ukraine, der „Slavjanski Basar“ wurde schnell zu einem der wichtigsten künstlerischen Ereignisse der ehemaligen UdSSR, an dem Delegationen aus Dutzenden von Ländern teilnahmen. Seit 1995, unter der Schirmherrschaft des belarusischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, etablierte sich das Festival als staatliches Projekt, und der Slawjanski Basar wurde erweitert und beherbergt nun auch berühmte Popkünstler, Ausstellungen, Kino und Kunsthandwerk. 

Bis vor einigen Jahren konnte der Slawjanski Basar als echtes Symbol des Panslawismus erscheinen, als Feier der gegenseitigen Sympathie und kulturellen Nähe vieler slawischer Völker. Heute haben die politischen Spannungen auf der internationalen Bühne all dies ein wenig beeinträchtigt. Bereits 2021, vor Beginn der letzten Phase des Ukraine-Krieges, hatte die Ukraine ihre Teilnahme aus politischen Gründen eingestellt. Die neue postrevolutionäre Ukraine wollte ihre Identität unbedingt in einem „europäischen” Sinne neu definieren, was auch immer das bedeuten mochte, und entschied sich dafür, jede Idee der Einheit der drei slawischen Völker, der Russen, Belarusen und Ukrainer, für immer beiseite zu schieben. Jedes Volk hat das Recht, seine eigenen Entscheidungen zu treffen.

Aber hier in Witebsk gibt es in diesen Tagen keine Spur von Politik, und niemand möchte sich die Laune durch die Probleme der großen Politik verderben lassen. Die ganze Stadt scheint in Feierstimmung zu sein, mit Tausenden von Besuchern aus anderen Städten Belarus, aus Russland, aber auch aus Ländern wie Indien, China und sogar aus Afrika. Die Stadt steht buchstäblich in voller Blüte, mit Blumenschmuck, der Plätze, Straßen und Brücken ziert. Witebsk erscheint wie ein wahres Juwel, mit gepflegten Parks und alten Kirchen mit goldenen Kuppeln, fast wie ein Freilichtmuseum. „Unsere Stadt ist immer so schön“, sagt ein Mädchen, das sich mit einer kleinen belarusischen Flagge in der Hand darauf vorbereitet, eine Prozession zu begrüßen, die sich auf der Lenin-Straße, einer der Hauptstraßen von Witebsk, nähert.

Eine wunderbare Stadt, von der viele Europäer jedoch noch nie gehört haben. Das ist wirklich schade. Aber Belarus bleibt für Besucher aus Europa offen. Europäer brauchen mittlerweile nicht einmal mehr ein Visum, um Belarus zu besuchen. Normalerweise wird Belarus nur als eine Art Dystopie beschrieben, und viele leicht zu beeindruckende Europäer scheinen hartnäckig daran glauben zu wollen, dass Belarus ein düsterer Ort der Unterdrückung und absoluten Kontrolle ist. Aber das sind nur die eigenen Hirngespinste. Ein einziger Tag hier in Belarus würde genügen, um zu verstehen, dass auch hier die Sonne scheint, und um viele alte, langweilige und schädliche Vorurteile abzubauen. Auch hier in Belarus ist Glück möglich, und Tage wie dieser sind der Beweis dafür.

Ein wunderbarer Abend für Tausende von Menschen, die die Feststimmung genießen … (Foto Stefano di Lorenzo)

(Red.) Vor wenigen Wochen wollte ich, Christian Müller, Herausgeber von Globalbridge.ch, einem Politologen in Belarus das verdiente Honorar überweisen. Aber die Bank, notabene eine Schweizerische Kantonalbank!, verweigerte die Überweisung nach Belarus. Als Schweizer Bürger kann ich mich für solche Maßnahmen – Schweizer Banken verweigern zum Beispiel auch Zahlungen nach Kuba! – nur schämen, wo unsere Regierung doch immer noch behauptet, wir seien ein neutrales Land! (Aber natürlich finden nicht nur die Multimillionäre, sondern auch die kleinen Nobodies, wie ich einer bin, immer einen Weg, das Geld an die richtige Adresse zu bringen, auch wenn es dann einen kleinen Umweg erfordert … )

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