Der Angriff Israels auf den Iran hat dort viele Schäden veursacht, aber ganz am Boden ist der Iran deswegen nicht. Auch in der Nacht auf heute Montag haben Raketen aus Iran in Israel – als Antwort auf den israelischen Angriff – in Israel spürbare Resultate erreicht. (Foto BBC)

Bericht | Israel startet einen Krieg gegen den Iran – mit welchen Folgen?

(Red.) Karin Leukefeld, seit vielen Jahren auf den Nahen Osten spezialisierte Journalistin, weilt zurzeit in Beirut und beobachtet das kriegerische Geschehen zwischen Israel und dem Iran aus nächster Nähe. Hier ihr Bericht mit einigen Antworten auf brennende Fragen. (cm)

„Am frühen Freitagmorgen, etwa um 3:15 Uhr Ortszeit, begann die israelische Armee mit einer Welle von Luftangriffen auf Iran. Berichten zufolge halten sie bis heute Nachmittag an.“ Mit diesen nüchternen Worten begann am Freitagnachmittag (13.6.2025) eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Die Sitzung befasste sich mit den „Nachwirkungen der israelischen Luftangriffe auf den Iran“, Berichterstatterin war die Stellvertretende Generalsekretärin Rosemary DiCarlo, die für Politische und Friedensbildende Maßnahmen zuständig ist. 

Die Angriffe „zielten auf das Hauptquartier der Islamischen Revolutionsgarden, auf Militärbasen, Radaranlagen und nukleare Einrichtungen“, zählte DiCarlo auf. „Berichten zufolge wurde großer Schaden angerichtet, es gab Dutzende zivile Tote. Der Iran führte einen Vergeltungsschlag mit einigen hundert Drohnen gegen Israel aus. Während ich hier spreche, sind Berichten zufolge iranische Raketen auf dem Weg nach Israel.“

Die Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates war von Iran beantragt und von China und Russland unterstützt worden. Israel bezeichnete den Angriff als „präzisen Präventivschlag“, um eine angeblich „unmittelbare Bedrohung durch das iranische Atomprogramm“ zu stoppen. Neben zahlreichen nuklearen und Forschungsanlagen bombardierte Israel auch Natanz, die iranische Wiederaufbereitungsanlage. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte in einer nächtlichen Erklärung gesagt, dass auch das iranische Programm für ballistische Raketen, hochrangige Militärs und Nuklearwissenschaftler angegriffen worden seien. DiCarlo bezog sich auf diese Erklärung Netanyahus und fügte hinzu, dass der israelische Ministerpräsident erklärt habe, die Angriffe sollten „eine existenzielle Bedrohung“ abwehren und dass „der Kampf so viele Tage dauern werde, wie nötig“. 

Anschließend sprach Rafael Mariano Grossi, Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Die Behörde sei vorab informiert worden und befinde sich in ständigem Kontakt mit den iranischen Behörden, so Grossi. Iran habe einen Angriff auf die Anreicherungsanlage Natanz bestätigt, die sich tief unter der Erde befindet. Alle oberirdischen Gebäude und Stromanlagen seien zerstört worden, hieß es. Weder radioaktive noch chemische Strahlung außerhalb der Anlage sei festgestellt worden. Innerhalb der Anlage sei Verstrahlung aufgetreten, die „handhabbar“ sei. Grossi betonte, das Angriffe auf Nuklearanlagen nach dem internationalen Recht verboten seien, worauf die IAEA immer wieder hingewiesen habe. Die einzige Lösung dieser ernsten Lage sei Dialog und Diplomatie.

Die folgende Debatte wurde vom russischen UN-Botschafter eröffnet. Die Führung Israels scheine davon überzeugt zu sein, „in der Region völlig freie Hand zu haben“, allerdings trage die israelische Führung die „volle Verantwortung“ für die Folgen seines militärischen Abenteuers. Das gleiche gelte für diejenigen, die Israel ermutigten, so vorzugehen. Alles habe damit begonnen, dass die USA sich einseitig aus dem Atomabkommen mit dem Iran (JCPA) ohne Not 2018 (damals unter Präsident Donald Trump, Red.) zurückgezogen habe. Die „Anti-Iran Hysterie“ der europäischen und westlichen Staaten habe die Eskalation verschärft, der „nicht provozierte Angriff“ Israels auf Iran sei eine „krasse Verletzung der UN-Charta und des internationalen Rechts.“ Der russische UN-Botschafter sagte, zur Eskalation beigetragen habe auch eine „Koordination zwischen den israelischen und britischen Geheimdiensten“. Dazu gehöre auch, dass israelische Flugzeuge derzeit auf einer britischen Militärbasis geparkt und geschützt würden. Die britische Vertreterin wies das zurück und warf Russland Desinformation vor. Großbritannien unterstütze jede Diplomatie, die die Region stabilisiere. Die Vertreter Griechenlands, Dänemarks, Sloveniens und der USA betonten, dass der Iran „nie Atomwaffen besitzen“ dürfe. Der US-Botschafter bezeichnete die iranische Führung als „gefährliches Regime“ und erklärte, die USA sei von den Angriffsplänen Israel vorab informiert worden, die USA sei aber „militärisch nicht beteiligt“ gewesen. Gegen Iran gerichtet warnte er, niemand solle versuchen, amerikanische Bürger, Interessen und Infrastruktur in der Region anzugreifen, andernfalls werde es zu harten Konsequenzen für Iran führen. Die USA versuche weiter zu einer diplomatischen Lösung mit Iran zu kommen und der Iran sei gut beraten, endlich auch zu verhandeln.

Der iranische UN-Botschafter bezeichnete den Angriff Israels als „Kriegserklärung”. Israel sei „das gefährlichste und terroristischste Regime der Welt, (….) ohne Menschlichkeit und Verantwortung.“ Nur ein solches Regime würde „Millionen von Menschenleben gefährden, um seine zerstörerischen Ambitionen durchzusetzen“, so der Botschafter unter Verweis auf die israelischen Angriffe auf iranische Atomanlagen. Der Angriff sei „kriminell und barbarisch“, Ziel sei gewesen, die Verhandlungen zwischen Iran und den USA zu sabotieren. Diejenigen, die Israel unterstützten, „allen voran die USA“ – seien mitschuldig an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Der UN-Sicherheitsrat müsse Israel verurteilen, „Schweigen bedeutet, an diesen Verbrechen mitschuldig zu sein“.

Der israelische UN-Botschafter betonte, man habe gegen den Iran in “Selbstverteidigung” gehandelt. „Seine Absicht ist, uns zu zerstören“, sagte er. Man habe viel Geduld gehabt, Israel habe nicht „rücksichtslos“ gehandelt, schließlich habe das Warten aber „letzte Nacht“ ein Ende gehabt. Der Iran und sein Atomwaffenprogramm sei „eine Gefahr für Israel und für die ganze Welt“.

Irak und Kuwait verurteilten, wie auch Pakistan und Algerien, den israelischen Angriff auf Iran. Irak sprach von einer „gefährlichen militärischen Aggression“, mit der Israel „in krasser Weise die irakische Souveränität und die Unverletzbarkeit des irakischen Luftraums mißachtet“ habe. Israelische Kampfjets waren über das – komplett schutz- und regierungslose Syrien – durch irakischen Luftraum geflogen, um Iran anzugreifen. Israel versuche Irak in einen Konflikt zu verwickeln, mit dem Irak nichts zu tun habe. Der Vertreter Kuwaits, der für den Golfkooperationsrat sprach, erklärte, der rücksichtslose Angriff verletzte die „Souveränität“ der Staaten und werde unter allen Umständen zurückgewiesen. Der Angriff werde „die Kräfte des Chaos und des Extremismus stärken“.

Die Sitzung dauerte zweieinhalb Stunden (hier zur ganzen Sitzung auf Youtube), Israel wurde nicht, wie von Iran gefordert, verurteilt. Der Rat tagte eine weitere Stunde hinter verschlossenen Türen. Ein Beobachter sagte anschließend, während der Sicherheitsrat getagt habe, hätten die Entwicklungen vor Ort alles überwältigt, was im Rat besprochen worden sei, um zu stoppen, was als nächstes geschehen würde.

Israel weitete seine Angriffe aus und die Israelis erlebten in dieser und der folgenden Nacht, was es bedeutet, angegriffen und bombardiert zu werden. Iranische Raketen und Drohnen zerstörten Wohn- und Hochhäuser in Tel Aviv und Umgebung und griffen auch die Hafenstadt Haifa an. Iran werde für alles Vergeltung üben, was Israel im Iran angreife, hieß es in Teheran. Das Militär verhängte eine Nachrichtensperre über einen Teil der Ziele, die getroffen worden waren, und forderte die Medien auf, keine Fotos von den Zerstörungen zu machen. Am Sonntag drohte der israelische Ministerpräsident, man werde den obersten Revolutionsführer Ali Khamenei töten. Am gleichen Tag bat Israel offiziell um Unterstützung der USA in dem Krieg gegen Iran. Großbritannien verlegte weitere Kampfjets in die Region.

Zum Hintergrund einige Fragen und Einschätzungen

  • Angeblich will Israel mit den Angriffen das iranische Atomprogramm, militärische Schlüsselanlagen sowie die Raketenproduktion treffen, zerstören und damit das Land destabilisieren. Kann Israel das tun?

Militärexperten sind der Ansicht, dass Israel mit seinen Angriffen gegen den Iran viel zerstören, aber weder das Atomprogramm noch die Raketenproduktion beenden kann. Beides ist tief unter der Erde gelagert, Israel hat nicht die militärische Kapazität, dort umfassend zu zerstören. Auch wenn erfahrene und hochrangige Militärs und Atomwissenschaftler gezielt von Israel getötet wurden, wird das nicht die Arbeit an sich beenden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich im Iran die Überzeugung durchsetzen könnte, tatsächlich Atomwaffen zu entwickeln und zu bauen, um das Land und seine Bevölkerung gegen Israel und mögliche andere Aggressoren schützen zu können. 

Darüber hinaus sind Angriffe auf nukleare Anlagen nach dem internationalen Recht verboten. Darauf hat die Atomenergiebehörde immer wieder hingewiesen. Angriffe auf Atomanlagen können radioaktive Strahlung freisetzen, die den Iran, aber auch die ganze Region gefährden und auf lange Zeit hin verwüsten kann. Gegen die Menschen, gegen die Umwelt, gegen das internationale Recht ist das ein Verbrechen.

  • Wie können andere regionale Akteure reagieren? Könnten neue Allianzen entstehen? Könnte der Krieg sich dadurch ausweiten?

Die Regionalstaaten sehen mit großer Sorge auf die Entwicklung. Irak, Syrien, Libanon, Palästina werden aktuell oder wurden in der Vergangenheit von Israel direkt und indirekt bedroht, erpresst, angegriffen, ihre Infrastruktur und Ökonomie wurden weitgehend zerstört. Die arabischen Golfstaaten mögen mit Iran Meinungsverschiedenheiten haben, haben sich aber seit 2023 deutlich angenähert. In dem Jahr gelang es China – dank langjähriger Vorarbeit des Irak und Oman – Saudi-Arabien und Iran zusammenzubringen und Kooperationsvereinbarungen zu unterzeichnen. Beide Staaten haben gute Beziehungen zu China und Russland, sie wollen kooperieren und die Region entwickeln, nicht zerstören. Zudem ist Iran Mitglied der BRICS-Staatengemeinschaft, der weitere Staaten der Region – die Vereinigten Arabischen Emirate – angehören. Saudi-Arabien hat die Aufnahme beantragt. 

Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate halten gleichwohl an den Beziehungen mit den USA und europäischen Staaten fest. Zwischen diesen drei ökonomischen Schwergewichten und Israel gibt es offen und verdeckt Kooperation. Diese Beziehungen sind nicht einheitlich, also nicht untereinander abgesprochen und diskutiert. Das betrifft auch den Umgang mit den Palästinensern und dem Gaza-Krieg. Je nach Kriegsverlauf werden sich die Beziehungen in der Region ändern, doch die Richtung bleibt unklar.

Der nicht provozierte Angriff Israels auf Iran begann, obwohl der engste Partner Israels, die USA, vorgaben, mit Iran über dessen Atomprogramm zu verhandeln. Vieles deutet inzwischen daraufhin, dass die Verhandlungen seitens der USA ein Vorwand waren, um Iran in Sicherheit zu wiegen und Israel so einen möglichst erfolgreichen Überraschungsangriff zu erleichtern. Die US-Außenpolitik in der Region wird nicht im Weißen Haus, sondern vom „tiefen Staat“, dem „Deep State“, den Neo-Konservativen bestimmt. Mit diesen pflegt der israelische Regierungschef beste Beziehungen. Trump versucht diese Gruppe zu neutralisieren, was ihm bisher offensichtlich nicht gelungen ist. Um diese Schwäche zu überspielen, hat er schon zahlreiche widersprüchliche Äußerungen gemacht. Beispielsweise seien die USA nicht an den Vorbereitungen und der Durchführung der Angriffe beteiligt gewesen. Diese Aussage ist angesichts verschiedener Äußerungen von Trump unglaubwürdig. Die gezielte Ermordung iranischen Führungspersonals deuten darauf hin, das US-Geheimdienstinformationen, vermutlich über den britischen Geheimdienst MI6 mit Israel und dessen Auslandsgeheimdienst Mossad geteilt wurden. Das alles dürfte die arabischen Golfstaaten zum Nachdenken bringen. Zumal die Emirate und Saudi-Arabien ihrerseits nationale Atomprogramme entwickeln. Sie können zusehen, was ihnen selber bevorstehen könnte. 

Schließlich muß über die Türkei, Armenien, Aserbeidschan, Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan gesprochen werden und über die weiteren Nachbarn des Iran in Eurasien, nicht zuletzt Russland. Das soll an anderer Stelle geschehen. Alle diese Staaten werden von einer Destabilisierung des Iran – was Israel will – betroffen sein: Wie werden sie sich entwickeln? Israel und seine westlichen Partner arbeiten schon jetzt intensiv daran, ethnische und religiöse Gruppen in Iran und Nachbarstaaten zu infiltrieren, sich gegen den iranischen Nationalstaat zu bewaffnen und zu erheben. 

  • Ist eine nukleare Eskalation möglich?

Ja. Die Gefahr ist vor allem deswegen groß, weil Israel sich an keine internationalen Regeln hält. Und es ist gefährlich, weil europäische Atommächte wie Großbritannien, Frankreich und natürlich die USA Israel auch hier wieder unterstützen. Israel ist wie der Zauberlehrling, der nicht in die Flasche zurückgedrängt werden kann. Auch deswegen nicht, weil diejenigen, die Israel zu dem gemacht haben, was es heute ist, keinen Einfluss mehr haben oder ausüben wollen.

  • Der israelische Ministerpräsident Netanyahu richtete eine Videobotschaft an das iranische Volk, in der er zu einem Aufstand gegen die Behörden der Islamischen Republik aufrief. Besteht eine reale Gefahr für die derzeitige Regierung in Teheran? 

Beobachter vor Ort beschreiben eher das Gegenteil. Die Bevölkerung versammelt sich hinter der Führung, es gibt große Proteste und die eindeutige Forderung, Vergeltung zu üben. Iran hat das gemacht und hat damit gezeigt, dass die Verteidigungsfähigkeit des Landes nicht an einzelnen Personen hängt. Die Iraner sind keine kleinen Kinder, sie wissen, was in der Region geschieht und wie „Regime-Change“ à la USA oder Israel sich in der Region darstellt. Sicherlich wollen viele Iraner Veränderung und vor allem die Aufhebung der Sanktionen, die von EU und USA verhängt wurden. Aber die Iraner wollen unabhängig politische Veränderung erreichen und sie wollen sicherlich nicht von Israel oder den USA in einen Bürgerkrieg gedrängt werden.

Wenn Netanyahu sich an die Iraner wendet und sagt, die Angriffe der israelischen Armee auf ihr Land sollten ihnen den Weg zur Freiheit ebnen, nimmt ihm das im Iran wohl kaum jemand ab. Der Wolf im Schafspelz – diese Figur ist in der Region hinlänglich bekannt.

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