Start einer Rakete ...

Betonköpfe und Propagandisten am Hebel europäischer Sicherheit

Nach dem Einsatz der bis dahin kaum bekannten „Oreshnik“-Rakete gegen ein Industrieziel in Dnipro (1) beeilten sich manche westlichen Medien zu erklären, Hyperschallwaffen seien nutzlos und die Drohung mit ihnen ein Bluff (2). Und die Ukraine behauptete, diese Waffen abschießen zu können. Setzt sich die Erkenntnis aber irgendwann durch, dass mit solchen Behauptungen nicht viel zu gewinnen ist? Nachrichten aus den USA lassen diesen Schluss vorerst eher nicht zu. 

Präsident Putin hat in seinen öffentlichen Auftritten nur sehr summarische Informationen über die „Oreshnik“-Rakete abgegeben, aber eine Abschätzung der Plausibilität seiner Angaben und jener der Ukraine ist möglich (3). Dem Abschuss von ballistischen Raketen sind schon rein von der Physik her sehr enge Grenzen gesetzt.

Schwarz-Peter-Spiel

Mit der Oreshnik hat Russland keine bahnbrechende neue Rakete erfunden, sondern alte Muster weiterentwickelt. Das macht Sinn, wenn man die Kosten für Neuentwicklungen komplexer Waffensysteme einberechnet und weiß, wieviel Zeit vergehen kann, bis neue Muster wie gewünscht funktionieren. Das Know-How für den Bau von ballistischen Mittelstreckenraketen war in Russland noch aus Sowjetzeiten vorhanden und die Verwendung von Systemkomponenten anderer Raketen steigert die Effizienz nicht nur beim Bau, sondern auch im täglichen Betrieb von so gut wie jedem beliebigen Waffensystem (4). Ob Russland die Entwicklung der Oreshnik-Rakete schon vor der Kündigung des Abkommens über nukleare Mittelstreckenwaffen INF begann, ist folglich eine akademische Frage mit einem ausgedehnten Graubereich. 

Bei der Kündigung des INF-Abkommens durch die USA spielten die neuen globalen Machtverhältnisse bestimmt eine Rolle, denn solange der INF-Vertrag in Kraft war, durften die USA keine Mittelstreckenraketen bauen, das neu als Gegner identifizierte China hingegen schon (5). Um nicht zum Schluss den Schwarzen Peter in der Hand zu haben, mussten die Amerikaner einfach die Diskussion so steuern, dass die Schuld für das Ende dieses wichtigen Regimes der Rüstungskontrolle Russland in die Schuhe geschoben werden konnte. Die westliche Presse machte hierbei gerne mit. 

Testgelände Ukraine

Wie jede andere ballistische Rakete auch kann die Oreshnik theoretisch abgeschossen werden (6). Das ist einerseits in der Aufstiegsphase möglich, das heißt in den ein bis zwei Minuten, die eine Rakete braucht, um in die 100 oder 120 km Höhe, in welcher allgemein das Ende der Erdatmosphäre lokalisiert wird, aufzusteigen (7). Dabei ist zu beachten, dass auch modernste Zielerfassungs- und Feuerleitsysteme sowie die Waffen selbst eine gewisse Reaktionszeit benötigen, bis ein Abfangvorgang beginnen kann. In großer Höhe erreichen moderne ballistische Raketen aber Geschwindigkeiten von bis zu 5’500 m/s, welche die Möglichkeiten von Raketenabwehrsystemen überfordern (8). Die Raketen des Patriot Systems erreichen ihre Höchstgeschwindigkeit von Mach 4, also circa 1’200 m/s, auch erst in einer gewissen Höhe (9). Wann sie diese Geschwindigkeit erreichen und wie lange die Reaktionszeit des Gesamtsystems genau ist, ist sicherlich eine klassifizierte Information. Durch den Einsatz älterer Raketen haben auf der anderen Seite die russischen Streitkräfte diese technischen Parameter inzwischen in Erfahrung gebracht. Im englischen Sprachgebrauch nennt sich dieses Vorgehen „Probing„. 

Flugbahn von ballistischen Raketen, Phasen. Quelle: Verfasser (10)

Für den Abschuss einer aufsteigenden Rakete steht folglich nur ein kurzes Zeitfenster von möglicherweise nur gerade einer Minute zur Verfügung, was wiederum bedeutet, dass Raketenabwehrsysteme auf wenige Dutzend Kilometer an die Startrampe der abzuschießenden Rakete herangebracht werden müssen. Kartenskizzen mit Raketenstarts an der Grenze von Belarus, die von gewissen Zeitungen in der jüngsten Vergangenheit veröffentlicht wurden, sind deshalb falsch. 

Krieg im Weltall?

Einfacher ist es theoretisch, die Gefechtsköpfe ballistischer Raketen im exo-atmosphärischen Flug abzuschießen, wo die Luftreibung kaum mehr eine Rolle spielt. Auf der anderen Seite ist es hier für einen Flugkörper am leichtesten, Ausweichmanöver zu fliegen. Dass neben den USA auch Russland, China und Indien sowie Israel Flugkörper im erdnahen Weltraum abschießen können, ist bekannt (11). Aber der Abschuss von Objekten im Weltall ist eine Linie, die von keiner der Konfliktparteien bislang überschritten wurde. Hier endet bislang die Unterstützung der USA für die Ukraine. 

Nach dem Wiedereintritt eines Gefechtskopfes in de Erdatmosphäre steht ebenfalls nur ein kurzes Zeitfenster für einen Abschuss zur Verfügung. Hyperschall-Geschwindigkeiten sind auch hier nichts Neues (12). Inzwischen erschweren Täuschkörper, einzeln steuerbare Mehrfach-Gefechtsköpfe (13) und solche mit der Fähigkeit, auch im Hyperschall-Bereich Ausweichmanöver fliegen zu können, das Abfangen von anfliegenden Gefechtsköpfen zusätzlich (14). Der Raum, den Raketenabwehrsysteme schützen können, ist folglich sehr begrenzt und die wichtigen Systeme benötigen ihrerseits Schutz vor Angriffen aus der Luft. Das bedeutet im konkreten Fall, dass die ukrainische Armee nur wenige ausgesuchte Objekte wirklich schützen kann. 

Kiews große Klappe

Das sind Überlegungen, die auf den Gesetzen der Physik beruhen und auf den Grenzen heutiger Technologie. Selbst die Verchovna Rada (das uktainische Einkammer-Parlament, Red.) kann die Gesetze der Physik nicht außer Kraft setzen, weder in der Ukraine noch sonst irgendwo.

Ob die Präzision des Patriot-Systems selbst und die Leistungsfähigkeit ihrer Feuerleitsysteme es zulassen, ein mit einer Geschwindigkeit von 1’500 bis 3’000 m/s fliegendes Objekt von vielleicht 60 cm Durchmessern und 150 cm Länge zu treffen, ist noch eine ganz andere Frage, auf die hier nicht eingegangen werden soll, weil die technischen Daten, die für eine Beurteilung notwendig wären, sicherlich klassifiziert sind. In der Praxis bedeutet das, dass eine Patriot-Feuereinheit nur einen Raum von wenigen Quadratkilometern Ausdehnung vor einer ballistischen Mittelstreckenrakete schützen kann. Bei Kurzstreckenraketen mit 150 km Reichweite mag dieser Raum grösser sein, aber bei einer Mittelstreckenrakete, deren Gefechtskopf mit 80 Grad Neigungswinkel, das heißt fast senkrecht eintrifft, können es maximal wenige Kilometer sein (15).

Aus all diesen Gründen ist ukrainischen Meldungen über den Abschuss des Gefechtskopfs einer ballistischen Rakete derzeit mit größter Skepsis zu begegnen. Das ist wohl Propaganda. 

Sicherheitsschirm für die Verbündeten Russlands?

Es stellt sich auch die Frage, was für Ziele Selenskyj – oder vielmehr der Westen – in Russland treffen möchte. Mit dem Beschuss der rückwärtigen Einrichtungen der in der Ukraine eingesetzten Kräftegruppierungen wird er den Vormarsch der russischen Truppen nur temporär bremsen können. Darum geht es vielleicht der Administration Biden: Es geht darum zu verhindern, dass Biden nach Afghanistan 2021 nun schon mit einer zweiten Niederlage in Verbindung gebracht wird. Wenn er die Niederlage bis Ende Januar hinauszögern kann, ist er schon zufrieden. Mehr ist derzeit wohl auch nicht zu erreichen. 

Wenn Präsident Selenskyj sich auf einen Krieg mit ballistischen Mittelstreckenraketen einlässt, wird er diesen verlieren und auch seine westlichen Verbündeten werden ihm nicht helfen können. Er muss erkennen, dass ihn die Kriegstreiber, die ihm immer mehr und immer leistungsfähigere Waffen liefern wollen, schlecht beraten. Besonnene Geister müssen aber verstehen, dass der politische Schaden den militärischen Nutzen der Lieferung weiterer Raketen möglicherweise überwiegt. Die Eskalationsleiter hat irgendwo ein Ende. 

Mit einem erprobten Arsenal aus nichtnuklearen strategischen Waffen und Waffensystemen zur Abwehr strategischer Waffen des Gegners kann Russland nun anderen Ländern einen Sicherheitsschirm zur Verfügung stellen, ohne befürchten zu müssen, in einen nuklearen Krieg hineingezogen zu werden. Als erstes will offenbar Belarus von diesem Angebot profitieren. Darum dürfte es bei der Stationierung von Oreshnik-Raketen in Belarus gehen, denn alle Ziele, die von Belarus aus erreicht werden können, sind auch in Reichweite von solchen in Kaliningrad oder im Donbass. Derzeit droht Biden in der Form von Syrien noch einem Staat mit Bomben, der sich nicht wehren kann. Andere Staaten werden den Zeitdruck erkennen und sich vielleicht nicht darauf verlassen, dass Trump schon vernünftiger sein wird. 

Betonköpfe aus Washington

Entwicklungen von komplexen Systemen wie neuen Mittelstreckenraketen sind nicht das Ergebnis einer Laune von Staats- oder Regierungschefs, im konkreten Fall der Oreshnik nicht von Präsident Putin, sondern Ausdruck langjähriger konzeptioneller Arbeit. Der Grundstein dazu wurde in den Achtzigerjahren gelegt, als der sowjetische Generalstabschef Marschall Nikolai V. Ogarkov zunehmend die Bedeutung der nuklearen Abschreckung in Zweifel zu ziehen begann, weil er zur Erkenntnis gekommen war, dass ein politischer Sieg in einem Atomkrieg unmöglich sei und auch begrenzte nukleare Optionen als praktisch unmöglich beurteilte. Deshalb sind auch Präsident Putins Aussagen über Atomkriege nichts Neues aus Moskau. Das stellt einen Kontrast zur Strategie der nuklearen Abschreckung dar, welche im Kern Selbstverteidigung durch Selbstmord beinhaltet und wieder fröhliche Urständ feiert. Gerade in diesen Tagen vertrat der Direktor der strategischen Planungsabteilung der US-Regierung, Konteradmiral Thomas Buchanan, die Auffassung, die USA müssten Kernwaffen einsetzen, um ihre globale Vormachtstellung zu wahren; er ist in seinem Denken offensichtlich 45 Jahre zurückgeblieben (16). Und offenbar kann Buchanan mit dem Gedanken an einen Atomkrieg durchaus leben – vorausgesetzt, dieser findet in Europa statt. 

Russlands Oreshnik ist kein kurzlebiges Feuerwerk – da könnte mehr dahinterstecken, als man im Westen derzeit glaubt. Sollte man im Westen aber der Meinung sein, der in Dnipro angerichtete Schaden reiche als Warnung nicht aus, dann kann man auch einmal schauen, ob Putin in seinem Arsenal einen stärkeren Gefechtskopf findet (17). 

Ogarkov glaubte auch nicht, dass ein Krieg zwischen Atommächten konventionell bleiben könne. Deshalb begann er die Notwendigkeit nicht-nuklearer strategischer Abschreckung zu betonen. In seinen Veröffentlichungen stellte Ogarkov immer wieder die Stabilität konventioneller Konflikte der angeborenen Instabilität der nuklearen Kriegsführung gegenüber. Deshalb vertrat er die Auffassung, dass man auf hochpräzise nicht-nukleare Waffen und moderne Operationsführungssysteme setzen sollte. Sein späterer Nachfolger in der Funktion des Generalstabschefs, Sergey F. Akhromeyev, vertrat ähnliche Ansichten und gehörte mit zu den Architekten des INF-Vertrags. In zukünftigen Kriegen, so war Ogarkov überzeugt, würde derjenige gewinnen, der über hochpräzise nicht-nukleare Systeme verfügt. Ihr Einsatz würde dazu beitragen, menschliche Verluste zu minimieren, gleichzeitig aber auch die militärische Infrastruktur des wahrscheinlichen Gegners erfolgreich auszuschalten und ihn zur Kapitulation zu zwingen. Der bisherige Verlauf des Krieges in der Ukraine legt die Vermutung nahe, dass Ogarkovs vierzigjährige Ansichten umgesetzt werden. Eine moderne Armee müsse in der Lage sein, die Voraussetzungen für die Beendigung des Konflikts zu schaffen, bevor dieser zum umfassenden Einsatz von Atomwaffen übergeht, war eine andere Forderung Ogarkovs. Ob das gelingt, werden die nächsten Wochen zeigen (18).

Anmerkungen: 

  1. Früher Dnepropetrowsk. Ein Video davon: „Rusia y Ucrania: video de la llegada del misil balístico a Dnipró“ bei RCN Radio auf YouTube, 21.11.2024, online unter https://www.youtube.com/watch?v=n4gQyPa_eag
  2. Typisch dafür sind Chris York und Martin Fornusek: ‘Don’t overreact’ — Oreshnik missile isn’t as new as Russia claims, experts say, bei Kyivindependent.com, 22.11.2024,  online unter https://kyivindependent.com/what-is-russias-oreshnik-missile-and-what-happens-next/. Offenbar hat man in westlichen Redaktionsstuben noch immer nicht die Konsequenzen aus der schon notorischen Unterschätzung seines Gegners gezogen. Auf der anderen Seite mögen die ersten Beurteilungen pro-russischer Medien etwas übertrieben gewesen sein. Siehe Pepe Escobar: Trump may be Oreshniked on Ukraine even before he gets to China, bei  strategic-culture.su, 27.11.2024, online unter https://strategic-culture.su/news/2024/11/27/trump-may-be-oreshniked-on-ukraine-even-before-he-gets-china/, deutsche Übersetzung durch Andreas Mylaeus bei Seniora: Trump könnte in der Ukraine noch vor China in die Oreschnik-Falle tappen, online unter https://seniora.org/politik-wirtschaft/trump-koennte-in-der-ukraine-noch-vor-china-in-die-oreschnik-falle-tappen. Vgl. M.K. Bhadrakumar: A defining moment in the Ukraine war, bei Indian Punchline, 24.11.2024, online unter https://www.indianpunchline.com/a-defining-moment-in-the-ukraine-war/, deutsche Übersetzung durch Andreas Mylaeus bei Seniora: Bhadrakumar: Ein entscheidender Moment im Ukraine-Krieg, online unter https://seniora.org/politik-wirtschaft/bhadrakumar-ein-entscheidender-moment-im-ukraine-krieg und Rainer Rupp: Die Botschaft der „Haselnuss“ an die Ukraine und NATO, bei Seniora, 26.11.2024, online unter https://seniora.org/politik-wirtschaft/1-die-botschaft-der-haselnuss-an-die-ukraine-und-nato
  3. Siehe Bekanntmachung des Präsidenten der Russischen Föderation, Заявление Президента Российской Федерации, 21.11.2024, online unter http://kremlin.ru/events/president/news/75614. Vgl. Sitzung mit der Leitung des Verteidigungsministeriums, Vertretern der Rüstungsindustrie und den Erbauern von Raketensystemen, Совещание с руководством Минобороны, представителями ВПК и разработчиками ракетных систем, 22.11.2024, online unter  http://kremlin.ru/events/president/transcripts/75623, beide auf der Homepage des Präsidenten der Russischen Föderation, in russischer Sprache. Wörtlich übersetzt steht Oreshnik für Haselstrauch.
  4. Die Entwicklung der Oreshnik dürfte im Zusammenhang mit der Interkontinentalrakete RS-26 Rubesh erfolgt sein, welche ihrerseits auf der RS-24 Jars basiert. Siehe „Орешник“ auf Military Russia, 01.12.2024, online unter http://militaryrussia.ru/blog/topic-977.html. Vgl. auch Friedrich Schmidt: Angriff in Dnipro: Wie neu war Putins Rakete wirklich? In Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ.net, 22.11.2024, online unter https://www.faz.net/aktuell/politik/ukraine/angriff-in-dnipro-wie-neu-war-putins-rakete-wirklich-110128050.html und Oliver Imhof: Ukraine-Krieg: Russlands neue Rakete Oreschnik im Test – Was steckt dahinter? in: Der Spiegel, 22.11.2024online unter https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-krieg-russlands-neue-rakete-oreschnik-im-test-was-steckt-dahinter-a-1b8cadaf-b8a6-4012-9554-9ad74b61ed6d. Siehe auch Joseph Trevichnik: Russia’s Experimental Ballistic Missile Used To Strike Ukraine Is Based On The RS-26 Rubezh, bei The Warzone, 21.11.2024, online unter https://www.twz.com/land/russias-experimental-ballistic-missile-used-to-strike-ukraine-is-based-on-the-rs-26-rubezh. Siehe auch Svetlana Shcherbak: What Missile Hides Under the Name Kedr, and Could It Be Both Oreshnik and Rubezh? Bei Defense Express, 24.11.2024, online unter https://en.defence-ua.com/weapon_and_tech/what_missile_hides_under_the_name_kedr_and_could_it_be_both_oreshnik_and_rubezh-12631.html. Über die Vereinheitlichung von Baumustern und von Systemkomponenten war in Russland schon seit langem gesprochen worden, u.a. auch im Generalstabslehrgang, welchen der Verfasser 2013/14 besuchte. 
  5. Englisch Intermediate Range Nuclear Forces Treaty, russisch Договор о ликвидации ракет средней и меньшей дальности (РСМД). Deutsch auch „Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme“. Informationen und Vertragstext in englischer Sprache auf der Homepage des US-Außenministeriums, online https://2009-2017.state.gov/t/avc/trty/102360.htm#text. Vgl. „INF-Vertrag vom 08.12.1987“, online unter http://www.peterhall.de/treaties/inf/inf1.html,
  6. Eine Bewertung der heutigen Möglichkeiten der Raketenabwehr findet sich bei Daniel Lübbert, Christian Behme, Felix Faltin: Raketenabwehr – technische Aspekte und naturwissenschaftlicher Hintergrund, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, Berlin 2007, online verfügbar unter http://webarchiv.bundestag.de/archive/2012/1220/dokumente/analysen/2007/Raketenabwehr.pdf.
  7. Allgemein wird die Kármán-Linie in einer Höhe von rund 100 km als Grenze zum Weltall angesehen, wobei die Erdatmosphäre theoretisch bis in circa 600 km reicht. Der ungarisch-amerikanische Luftfahrttechniker Theodore von Kármán definierte diese Höhe als diejenige, ab welcher die Fliehkräfte für den Fug bedeutender werden, als die aerodynamischen Kräfte. Die US-Streitkräfte betrachten 80 km Flughöhe als diejenige, wo der aerodynamische Flug aufhört.  Das entspricht ungefähr auch der Grenze der Mesopause. Der Luftdruck in dieser Höhe entsprich noch ungefähr einem Tausendstel von jenem auf Meereshöhe. Siehe auch „Aufbau der Atmosphäre“ bei Bildungsserver.de, online unter https://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Aufbau_der_Atmosph%C3%A4re. Gase von der Erde erstrecken sich aber bis zum Mond; vgl. Nadja Podbregar: Erdatmosphäre reicht bis zum Mond, bei bbscinexx.de, 22.02.2019, online unter https://www.scinexx.de/news/geowissen/erdatmosphaere-reicht-bis-zum-mond/
  8. Die Brennschlussgeschwindigkeit der RSD-10 Pioner (russisch РСД-10 Пионер, im Westen als SS-20 bezeichnet), die wohl eines der Vorgängermodelle der Oreshnik darstellt, lag zwischen 3000 und 5500 m/s, d.h. im Hyperschallbereich. Die RSD-10 war eine zweistufige Feststoffrakete. Übersicht inkl. Stationierungsorte bei Peterhall.de: „RSD-10 (SS-20)“, online unter http://www.peterhall.de/rvsn/missiles/rsd-10/pioner11.html; vgl. „RT-21M / SS-20 SABER“ bei Globalsecurity, online unter https://www.globalsecurity.org/wmd/world/russia/rt-21m.htm. Kurzfilm von Wladimir Nikulin in russischer Sprache auf YouTube, „RSD 10 Pioneer SS 20 Saber Ракетный комплекс Темп-С“ online unter https://www.youtube.com/watch?v=oehsHD9T8cw
  9. Die Schallgeschwindigkeit ist abhängig von der Luftdichte und -temperatur. Bei – 25 Grad beträgt sie circa 300 m/s. Solche Temperaturen sind in der oberen Troposphäre und der Stratosphäre permanent anzunehmen. 
  10. Vgl. Wolfgang Greber: Neue russische Rakete: Kleines Lexikon der Hyperschalltechnik, bei Die Presse, 22.11.2024 online unter https://www.diepresse.com/6066943/neue-russische-rakete-kleines-lexikon-der-hyperschalltechnik und Daniel Lübbert, Christian Behme, Felix Faltin: Raketenabwehr, a.a.O. In der Grafik von Greber fehlen Radar-Satelliten und satelliten-gestützte Abschuss-Detektoren.
  11. Die als Abfangrakete gegen Interkontinentalraketen konzipierte Standard Missile 3 (SM-3), wurde auch erfolgreich gegen Satelliten eingesetzt, bspw. am 21. Februar 2008 gegen einen außer Kontrolle geratenen Spionagesatelliten, der in 247 km Höhe zerstört wurde. China und Indien haben in der jüngeren Vergangenheit bereits Satelliten mit bodengestützten Raketen abgeschossen. Siehe Mike Mount: Officials: U.S. to try to shoot down errant satellite, bei CNN, 14.02.2008, online unter https://edition.cnn.com/2008/TECH/space/02/14/spy.satellite/index.html und Thomas Wehr: USA 193 – letztes Trümmerstück verglüht, bei. raumfahrer.net, 21.10.2008, online unter http://www.raumfahrer.net/raumfahrt/raketen/usa193.shtml. Zu Indien siehe Rajat Pandit: India shoots into star wars club, in Times of India. 28.03.2019, online unter https://timesofindia.indiatimes.com/india/india-shoots-into-star-wars-club/articleshow/68605713.cms. Zu China siehe Andrew Jones: China’s Shijian-21 towed dead satellite to a high graveyard orbit, bei spacenews.com, 27.01.2022, online unter https://spacenews.com/chinas-shijian-21-spacecraft-docked-with-and-towed-a-dead-satellite/ und http://www.raumfahrer.net/raumfahrt/raketen/usa193.shtml, sowie Guido Meyer: China «entführt» einen eigenen Satelliten aus dem geostationären Orbit, bei Neue Zürcher Zeitung NZZ, 22.03.2022, online unter https://www.nzz.ch/wissenschaft/weltraum-china-entfuehrt-einen-satelliten-aus-dem-orbit-ld.1675120. Russland siehe „Russland hat laut Pentagon wohl Anti-Satelliten-Waffe ins All geschickt“, bei Der Spiegel. 22.05.2024, online unter https://www.spiegel.de/ausland/russland-hat-laut-pentagon-wohl-anti-satelliten-waffe-ins-all-geschickt-a-a3c95daa-efc7-4d12-8783-12a75cc29fad und Rainer Kurlemann: Ist Objekt 2014-28E ein Killersatellit? bei Rheinische Post, 25.11.2014, online unter https://rp-online.de/panorama/wissen/ist-objekt-2014-28e-ein-killersatellit_aid-16301433, sowie Christoph Seidler: Gefahr für ISS, russischer Waffentest lässt Trümmerwolke durchs All jagen, in Der Spiegel. 16.11.2021, online unter https://www.spiegel.de/wissenschaft/kosmos-1408-russland-schiesst-satelliten-ab-truemmer-gefaehrden-iss-a-d8f3b231-b451-48a2-8e34-a43f108ba8a4
  12. Siehe hierzu Blake Stilwell: Why Russia’s Hypersonic Missiles Can’t Be Seen on Radar, bei Military.com, online unter https://www.military.com/equipment/weapons/why-russias-hypersonic-missiles-cant-be-seen-radar.html. Generell zu Hyperschall-Waffen siehe „Hypersonic Weapons: Background and Issues for Congress“, updated February 13, 2023, Congressional Research Service, online unter https://sgp.fas.org/crs/weapons/R45811.pdf, S. 16f; Marsden, Harriet: New Russian missile makes Western defences obsolete, bei. The Independent, 03.06.2017, online unter https://www.independent.co.uk/news/world/europe/russia-hypersonic-zircon-missile-system-testing-successful-putin-sputnik-defence-obsolete-a7770641.html. Siehe auch Wolfgang Greber: Neue russische Rakete: a.a.O.
  13. Englisch MIRV Multiple independently targetable re-entry vehicles. Siehe „Multiple Independently-targetable Reentry Vehicle (MIRV)“, bei Center for Arms Control an Non-Proliferation, online unter https://armscontrolcenter.org/wp-content/uploads/2017/08/MIRV-Factsheet.pdf und „MIRV“ bei atomwaffen A-Z, online unter https://www.atomwaffena-z.info/glossar/begriff/mirv
  14. Englisch MARV Manoeuvrable re-entry vehicle. Siehe „Manoeuvrable Reentry Vehicle (MARV)“ bei bei atomwaffen A-Z, online unter https://www.atomwaffena-z.info/glossar/begriff/marv.
  15. Im Unterschied zu herkömmlichen Artilleriegeschossen, die mit einer Abgangswinkel (Elevation) von circa 50 Grad ihre höchste Schussweiter erzielen, erreichen ballistische Raketen ihre höchste Schussweite, wenn sie in höheren Winkeln abgeschossen werden, weil sie dadurch die dichten Luftschichten früher verlassen. Das können Winkel bis zu 70 Grad sein. 
  16. Siehe Gretchen Small: Getting the American People `Nuclear War Ready’, bei Executive Intelligence Review, 09.12.2024, online unter https://eir.news/2024/12/news/getting-the-american-people-nuclear-war-ready/. Die Niederschrift seiner Rede unter „Project Atom 2024 – CSIS PONI keynote“ vom 20.11.2024 auf der Homepage des US Strategic Command, online unter https://www.stratcom.mil/Media/Speeches/Article/3976019/project-atom-2024-csis-poni-keynote/ und ein Video mit seinem Interview unter https://www.csis.org/events/report-launch-project-atom-2024
  17. Nebst nuklearen Gefechtsköpfen können ballistische Raketen und Marschflugkörper Russlands wohl auch Aerosol-Gefechtsköpfe tragen. Siehe hierzu John Pike, Charles Vick, Mirko Jacubowski, Patrick Garrett: Iskander/SS-26, bei Federation of American Scientists. 22.01.2024, online unter https://nuke.fas.org/guide/russia/theater/ss-26.htm und Albrecht Rothacher: Russlands Militär heute, bei Österreichische Militärische Zeitschrift ÖMZ, 5/September-Oktober 2008, online unter https://www.bmlv.gv.at/pdf_pool/omz/oemz2008_05.pdf, S. 578. 
  18. Siehe Michael Kofman: The Ogarkov Reforms: The Soviet Inheritance Behind Russia’s Military Transformation, bei Russia Military Analysis, a Blog on the Russian Military, 11.07.2019, online unter https://russianmilitaryanalysis.wordpress.com/2019/07/11/the-ogarkov-reforms-the-soviet-inheritance-behind-russias-military-transformation/ und „Ogarkov Doctrine in the Past and Present„, bei Top War, 20.12.2019, online unter https://en.topwar.ru/165683-doktrina-ogarkova-v-proshlom-i-nastojaschem.html, sowie „Nikolai Vasilyevich Ogarkov“, bei Global Security, online unter https://www.globalsecurity.org/military/world/russia/ogarkov.htm und Mary C. FitzGerald: Marshal Ogarkov on the Modern Theater Operation, auf der Homepage des US Naval War College, online unter https://digital-commons.usnwc.edu/nwc-review/vol39/iss4/3/. Siehe auch Timothy L. Thomas: Russian Forecasts of Future War, bei Military Review, May-June 2019, online unter https://www.armyupress.army.mil/Portals/7/military-review/Archives/English/MJ-19/Thomas-Russian-Forecast.pdf und Peter A. Mattsson: Russian Military Thinking – A New Generation of Warfare, bei Journal on Baltic Security, Vol 1, Issue 1, 2015, online unter https://www.researchgate.net/publication/313252767_Russian_Military_Thinking_-_A_New_Generation_of_Warfare. Vgl. «Доктрина Огаркова»: как глава Генштаба СССР научил воевать американцев, bei Рамблер, 11.09.2020, online unter https://weekend.rambler.ru/read/44820055-doktrina-ogarkova-kak-glava-genshtaba-sssr-nauchil-voevat-amerikantsev/ und Андрей Сидорчик: Человек, который мог разгромить НАТО. Победная доктрина маршала Огаркова, bei Аргументы и Факты, 23.01.2019, online unter https://aif.ru/society/history/chelovek_kotoryy_mog_razgromit_nato_pobednaya_doktrina_marshala_ogarkova, beide in russischer Sprache.