Israel: Warum wagt niemand, die Realität beim Namen zu nennen?
Schon Theodor Herzls Idee, in Palästina einen Staat auf der Basis des jüdischen Glaubens zu gründen, war problematisch. Aber wie der Staat gegründet wurde und wie er immer wieder militärische Gewalt eingesetzt hat, um sich durchzusetzen und den Staat zulasten der einheimischen Bevölkerung territorial zu vergrößern, ohne jede Bereitschaft zu friedlichen Lösungen und unter Missachtung mehrerer UNO-Resolutionen, macht deutlich: Das zionistische Projekt ist gescheitert.
Der Schriftsteller Theodor Herzl, 1860 – 1904, propagierte mit seinen Schriften die Idee, als Antwort auf immer etwa wieder auftretenden Antisemitismus für die Juden in Palästina einen eigenen Staat zu schaffen. Er gilt deshalb als Begründer der zionistischen Bewegung, die sich für die Juden einen eigenen Staat zum Ziel setzte. Nach dem ersten Zionisten-Kongress 1897 in Basel schrieb Herzl in sein Tagebuch: „Fasse ich den Baseler Congress in ein Wort zusammen – das ich mich hüten werde öffentlich auszusprechen – so ist es dieses: in Basel habe ich den Judenstaat gegründet. Wenn ich das heute laut sagte, würde mir ein universelles Gelächter antworten. Vielleicht in fünf Jahren, jedenfalls in fünfzig wird es Jeder einsehen.“
Aufgrund des Judenverfolgungen durch Deutschland vor und im Zweiten Weltkrieg und auch aufgrund von einigen Grenzverschiebungen zum Beispiel in Polen hat damals die Zuwanderung von Juden nach Palästina stark zugenommen, was dort erwartungsgemäß nicht nur Freude auslöste. Am 29. November 1947 hat deshalb die UNO-Generalversammlung in Form der Resolution 181 einen Plan veröffentlicht, der eine Aufteilung des dortigen Landes zwischen den einheimischen Palästinensern und den zugewanderte Juden vorsah. Dieser Plan wurde von den palästinensischen Einheimischen nicht anerkannt, es kam erneut zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Am 14. Mai 1948 versammelte sich der jüdische Nationalrat und erklärte formell die Unabhängigkeit Israels, die sowohl von den USA – innerhalb von Minuten – als auch von der Sowjetunion – innerhalb von Tagen – anerkannt wurde. Gegen eine Million Menschen der arabischen Bevölkerung verließ darauf den Israel zugesprochenen Raum – wie viele davon freiwillig flüchteten und wie viele mit Gewalt vertrieben wurden, konnte nie mehr genau ermittelt werden. Erinnerungen von Überlebenden zeigen echt kein schönes Bild davon, wie die einheimischen Palästinenser von den eingewanderten Juden behandelt wurden. In den neuen israelischen Gebieten erlangten nun die Juden die Mehrheit über die arabische Bevölkerung. Und territorial führten bereits diese Auseinandersetzungen zu Erweiterungen des israelischen Staates. – Die umliegenden arabischen Staaten verweigerten die Anerkennung des neuen Staates. Diese kriegerischen Auseinandersetzungen nach der Unabhängigkeitserklärung Israels sind unter dem Namen Nakba – die Katastrophe – in die Geschichte eingegangen.
Knappe zwanzig Jahre später, am 5. Juni 1967, starteten die Israeli einen präventiven Angriffskrieg gegen die umliegenden Länder und erreichten durch die Taktik der Überraschung einen schnellen Sieg, was als „Sechstagekrieg“ in die Geschichte eingegangen ist. Die dadurch besetzten Gebiete der Nachbarländer, im Norden die Golanhöhen von Syrien, im Osten das Westjordanland von Jordanien und im Südwesten der Gazastreifen wurden seither nie wieder freigegeben, entgegen einer UN-Resolution. Nur die ebenfalls eroberte Sinai-Halbinsel ging zurück an Ägypten.
1987 kam es zur sogenannten Ersten Intifada, im Jahr 2020 zur Zweiten Intifada. Friedensverhandlungen, die zu nichts führten. Auf Wikipedia gibt es eine Chronologie der Auseinandersetzungen zwischen den Palästinensern und den Israelis – es ist eine unendlich lange Liste von Ereignissen. Wobei man bei Wikipedia daran denken muss, dass bei solchen Themen oft nicht neutrale und objektive Autoren dahinterstecken. Da spielen oft auch persönliche Sympathien der Autoren mit.
Und was kann man, was muss man aus all diesen Ereignissen lernen?
Die letzten Monate haben gezeigt, dass die jetzige israelische Regierung nicht nur nichts gelernt hat aus der Geschichte, sondern sogar nur den einen Weg kennt: den der Gewalt. Premierminister Benjamin Netanyahu hatte lange Zeit die Hamas sogar unterstützt, um ein Zusammengehen der Fatah und der Hamas zu verhindern. Es gibt keinen Hinweis – keinen! –, dass das heutige Israel an einer friedlichen Lösung interessiert ist. Man verlässt sich auf die Unterstützung der USA, wo mächtige jüdische Lobby-Organisationen und mehrere prominente Juden im Umfeld des Präsidenten dafür sorgen, dass weiterhin Geld und Waffen nach Israel gelangen, allen Kriegsverbrechen Israels zum Trotz. 76 Jahre nach der Gründung des Staates Israel ist keine friedliche Lösung in Sicht. Selbst in den letzten Monaten noch haben israelische Siedler im Westjordanland palästinensische Einheimische vertrieben und deren Boden besetzt.
Die Konklusion aus all diesen Ereignissen kann nur eine sein: Die Israelis und ihre Freunde rund um die Welt müssen sich eingestehen, dass das zionistische Projekt gescheitert ist. Tatsächlich zeigen auch die Zahlen der nach Israel Einwandernden und aus Israel Auswandernden, dass die Zeit für einen unabhängigen Staat Israel in den heutigen Ausmaßen abgelaufen ist. Die Chance, sich mit der einheimischen palästinensischen Bevölkerung und mit den Nachbarstaaten zu arrangieren, wurde nie gepackt. Und mittlerweile gibt es mehr Israelis, die definitiv auswandern, als Juden, die einwandern. Viele Menschen in Israel beginnen die Realität zu erkennen.
Dazu auch der immer träfe Kommentar von Eric Bonse aus Brüssel zum heutigen Montag, 12. August 2024.
Und siehe dazu auch den neusten Kommentar in der israelischen Zeitung Haaretz: «Netanyahu will den Weltkrieg»
Achtung, ein äußerst wichtiges Video zeigt die Erklärung von Yaakov Shapiro, wie der Zionismus aus der jüdischen Religion eine jüdische Nationalität gemacht hat.