Das Schweizer Militär hat schon immer gelogen
Letzte Woche hat die Schweiz den Beitritt zur «European Sky Shield Initiative» beschlossen, zu einem Vertrag zur Verteidigung des europäischen Luftraumes. Aber die Kontakte des Schweizer Verteidigungsministeriums zur NATO sind wohl eh schon viel enger, als man wissen darf. Und die Doppelmoral der Schweizer Regierung wird immer deutlicher.
1988 – es war in meinem 8. und letzten Jahr als Chefredakteur der damals größten Zeitung der Zentralschweiz «Luzerner Neuste Nachrichten» LNN – rief mich eines Tages völlig unerwartet der deutsche Inhaber eines in der Zentralschweiz domizilierten Unternehmens an und meldete mir, er werde in zwei Tagen mit seinem privaten Flugzeug den bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauss von München in die Schweiz fliegen, wo dieser einen Besuch beim Militär auf dem Programm habe. Ob ich interessiert wäre, mitzufliegen? «Sehr interessant», sagte ich, und «ja gerne, ich fliege gerne mit». Und natürlich reiste ich schnellstmöglich nach München. Nicht ohne vorher die offizielle Informationsstelle des Schweizer Verteidigungsministeriums in Bern anzufragen, wie denn das Programm dieses Staatsbesuches von Franz Josef Strauss aussehe. Die befragte Info-Stelle der Armee meldete umgehend: «Es ist ein reiner Privatbesuch von Franz Josef Strauss, es gibt kein Programm von Seite der Armee».
Das allerdings war einfach eine dicke Lüge der damaligen Info-Beauftragten der Schweizer Armee, Marie-Therese Guggisberg. Denn als Mitflieger im Privatflugzeug von Ulrich Bettermann mit Ulrich Bettermann und Franz Josef Strauss im Cockpit habe ich dann hautnah miterlebt, wie die Maschine auf dem Flugplatz Altenrhein am Bodensee landete und wie ein Schweizer Oberst den Gast aus München mit einer Achtungsstellung begrüsste – «Willkommen in der Schweiz, Herr Ministerpräsident» – und wie er ihm das Programm bekannt gab, darunter etliche militärische Demonstrationen – zum Beispiel «Hier erleben Sie den scharfen Schuss» – oder auch ein Flug mit dem Schweizer Militär-Trainingsflugzeug Pilatus PC-7, in welchem Franz Josef Strauss im Doppel-Cockpit sogar den Sitz des «Pilot-in-Command» einnehmen durfte, stand auf dem Programm. – Siehe meinen damaligen leicht ironischen Bericht zu diesem Ereignis in der LNN hier als PDF.
Offensichtlich hatte auch die deutsche Illustrierte «Stern» diesen Bericht gelesen und fragte ein paar Jahre später, ob sie die von mir gemachten Bilder dieses Flugs haben dürften, worauf infolge meiner Abwesenheit ein Kollege all die Negative der «Stern»-Redaktion zusandte. Eine später per Schreibebrief der «Stern»-Redaktion zugesandte Bitte, die Negative doch bitte zurückzuschicken, interessierte die «Stern»-Redaktion allerdings nicht. So schlummern die Bilder dieser «Privat-Reise» von Ministerpräsident Franz Josef Strauss zum Schweizer Militär leider immer noch im Bild-Archiv des «Stern». Oder sie sind trotz deutscher Ordnungsliebe verloren …
Und was habe ich aus dieser Geschichte lernen können? Wenn eine Armee spezielle Kommunikationsverantwortliche hat, dann hat sie das nicht, um diskrete Dinge öffentlich zugänglich zu machen, sondern um Informationen zu verbreiten, die im ausschließlichen Interesse dieser Armee sind – ob sie dann wahr oder eben auch erlogen sind, spielt dabei keine Rolle.
Die Doppelmoral der heutigen Schweizer Verteidigungsministerin
Am 22. März 2023 war auf der offiziellen Plattform des Schweizer Außenministeriums EDA Folgendes zu lesen:
«Viola Amherd trifft sich mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Am Mittwoch, den 22. März 2023, trifft Bundesrätin Viola Amherd in Brüssel den NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Im Mittelpunkt des Gesprächs stehen die Möglichkeiten einer verstärkten Zusammenarbeit (sic!) in der Sicherheitspolitik. Die Vorsteherin des VBS (Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport) wird im Anschluss an das Treffen auch mit Vertretern des North Atlantic Council (NAC) sprechen.» Und in der gleichen Mitteilung konnte man lesen: «Im Mittelpunkt des Gesprächs mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg wird die Zusammenarbeit der Schweiz mit der NATO stehen, die der Bundesrat gemäss dem Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht 2021 weiter entwickeln will. Weitere Themen werden die Sicherheit in Europa und die militärische Friedensförderung sein, da der Bundesrat dem Parlament vorgeschlagen hat, den Einsatz der Swisscoy in der NATO-geführten Mission KFOR im Kosovo über 2023 hinaus zu verlängern. Schliesslich wird die VBS-Vorsteherin mit den ständigen Vertreterinnen und Vertretern der Mitgliedstaaten im Nordatlantikrat, dem wichtigsten Entscheidungsorgan der NATO, über die aktuelle Lage in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sprechen.»
Nicht speziell erwähnt in diesen offiziellen Mitteilungen wird, gegen welchen Feind es in der vereinbarten Zusammenarbeit mit der NATO geht, aber man weiß es natürlich: Es geht klar und ausschließlich gegen Russland.
Und jetzt: Da kommt der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj Mitte Januar 2024 ans WEF in Davos und wird auch in Bern mit allen Ehren empfangen. Im persönlichen Gespräch mit der neuen Schweizer „Bundespräsidentin“ und Verteidigungsministerin Viola Amherd entsteht der Plan, in der Schweiz zum Krieg in der Ukraine einen „Friedensgipfel“ zu organisieren. Diese Idee wird anschließend auch am WEF öffentlich verkündet. Und was steht jetzt auf der offiziellen Plattform der Schweizer Regierung? Wörtlich:
«Ein weiteres zentrales Thema des Gesprächs war der Rückblick auf das Treffen der Nationalen Sicherheitsberater zur ukrainischen Friedensformel (sic!), an welchem am Sonntag in Davos über 80 Länder vertreten waren. Beide Seiten würdigten die enge Zusammenarbeit bei der Vorbereitung des Anlasses.»
Jetzt ist es – erneut – hoch offiziell: Dieser sogenannte «Friedensgipfel» soll im Juni in der Luxus-Hotel-Szenerie hoch über dem Vierwaldstättersee auf dem Bürgenstock stattfinden. Die Schweiz als Vermittlerin, nachdem sie ihre Neutralität mit der pauschalen Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland massiv verletzt hat? Und auch die Vorgespräche mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, wonach der sogenannte «Friedensgipfel» vor allem Selenskyjs 10-Punkte-Friedensformel propagieren sollte, waren allerdings alles andere als neutral.
Das hinderte die Schweizer Verteidigungsministerin Viola Amherd nicht, am 10. April an der Medienkonferenz in Bern zum Thema «Friedensgipfel» auf dem Bürgenstock erneut auf die Schweizer Neutralität zu verweisen. Wörtlich: «Die Schweiz ist ein neutraler Staat.» (Siehe hier, Minute 33.45 ff).
Die Doppelmoral der Schweizer Regierung könnte nicht deutlicher bekannt gemacht werden.
Und klar, nachdem Russland offiziell bekanntgegeben hat, an dieser Konferenz, die im Gespräch zwischen der Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd und Selenskyj geboren wurde, nicht teilzunehmen, da die Schweiz als Teilnehmerin der Sanktionen gegen Russland als neutrale Vermittlerin dazu nicht mehr legitimiert sei, ist diese ganze Übung auch tatsächlich der reine Leerlauf. Aber sie kostet immerhin zwischen fünf und zehn Millionen Franken, wie an der gleichen Medienkonferenz gesagt wurde, wobei der grösste Teil der Kosten die Sicherheit der Teilnehmer betreffe. Auch die Armee muss natürlich, wie jeweils am WEF in Davos, wieder einspringen, um die Sicherheit der Teilnehmer zu gewährleisten.
Schaumermal.
Zum damaligen Artikel von Christian Müller über den Privatbesuch von Bayerns Ministerpräsident Franz Josef Strauss beim Schweizer Militär.