Oktober 2023 – Nachrichten aus dem Krieg
Wenig erfährt man dieser Tage darüber, wie es den Palästinensern im Gazastreifen und in den besetzten palästinensischen Gebieten im Westjordanland ergeht. Die Nachrichten werden bestimmt von israelischen oder US-amerikanischen Quellen, Stimmen aus Gaza oder dem Westjordanland kommen kaum vor.
Als in den letzten Tagen im UN-Sicherheitsrat in New York über eine Resolution verhandelt wurde, die einen Waffenstillstand und humanitäre Hilfe für die gequälten Bewohner des Gazastreifens vorsah, legten die USA ihr Veto ein. Bei einer erneuten Sitzung des Gremiums am Dienstag (24.10.2023 NY Ortszeit) beschimpften der israelische UN-Botschafter und der israelische Außenminister UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Der hatte in seinem kurzen Eingangsstatement die Gewalt der Qassam-Brigaden verurteilt und anwesenden Angehörigen der in den Gazastreifen entführten israelischen und ausländischen Gefangenen seinen Respekt gezollt.
Guterres forderte Israel auf, das humanitäre internationale Recht einzuhalten. Es sei „wichtig zu erkennen, dass die Angriffe der Hamas nicht aus dem luftleeren Raum gekommen“ seien, sagte Guterres. „Das palästinensische Volk hat 56 Jahre lang unter einer erdrückenden Besatzung gelitten. Es hat mit ansehen müssen, wie sein Land immer mehr von Siedlungen verschlungen und von Gewalt heimgesucht wurde, wie seine Wirtschaft unterdrückt, seine Menschen vertrieben und seine Häuser zerstört wurden. Ihre Hoffnungen auf eine politische Lösung für ihre Notlage haben sich in Luft aufgelöst.“ Doch nichts von alledem könne „die schrecklichen Angriffe der Hamas rechtfertigen“, so Guterres weiter. Ebenso wenig könnten die „schrecklichen Angriffe die kollektive Bestrafung des palästinensischen Volkes rechtfertigen.“
Die Vertreter Israels waren empört und reagierten mit Beschimpfungen des UN-Generalsekretärs. „Ich werde den UN Generalsekretär nicht treffen“, erklärte Eli Cohen, der israelische Außenminister auf „X“, vormals Twitter. „Nach dem Massaker vom 7. Oktober gibt es keinen Platz für eine ausgewogene Position. Hamas muss von der Erdoberfläche getilgt werden.“ Der israelische UN-Botschafter Gilad Erdan forderte den Rücktritt von Guterres.
Um den Vereinten Nationen „eine Lektion zu erteilen“ werde man UN-Vertretern kein Visum mehr erteilen, erklärte Erdan. Angefangen habe man mit dem Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten Martin Griffiths, der kein Einreisevisum erhalten habe.
Die felsenfeste Solidarität der USA und ihrer Partner in EU und NATO mit Israel manifestiert sich derweil in der Lieferung von Waffen und vernichtender Spezialmunition an die israelische Armee, in der Stationierung von bis zu 4000 US-Spezialkräften, Offizieren und Geheimdienstlern, in Flugzeugträgern im östlichen Mittelmeer, die ihre Raketen auf Libanon, Syrien, Irak und Iran gerichtet haben. Auch die deutsche Regierung positioniert sich auf Seiten Israels. Dessen Recht auf Selbstverteidigung müsse gewährt sein und der deutsche Verteidigungsminister sagte – ohne das Parlament zu fragen – Israel den Gebrauch von zwei von Israel selbst gebauten, an Deutschland verkauften Drohnen zu.
Palästinenser sind entsetzt über die Staaten von „Freiheit und Demokratie“. Ein 1948 aus Palästina im Zuge der Nakba Vertriebener kommentierte eine Talk-Show mit Kopfschütteln: “Die ganze Diskussion, auch gestern bei Anne Will, geht davon aus, das der Konflikt am 07. Oktober begonnen hat. Die Jahrzehnte lange Unterdrückung und Terrorisierung seitens Israels findet nicht statt.“ Und ein anderer, ebenfalls 1948 aus seiner Heimat vertriebener Palästinenser schreibt in Erinnerung an die Kreuzzüge: „Die Barbaren sind zurück“. Erinnert sei an ein Gedicht des palästinensischen Nationaldichters Mahmoud Darwish, der 7 Jahre alt war, als er aus Al Birwa, unweit der Hafenstadt Acra, im Juni 1948 vertrieben wurde. Sein Leben lang hat er über die Erfahrungen der Kolonisierten in Palästina mit dem zionistischen Siedlerkolonialismus geschrieben:
„Ihr habt die Obstgärten meiner Vorfahren gestohlen/ Und das Land, das ich bebaut habe/ Und nichts habt Ihr uns gelassen/Außer diesen Steinen/…/Wenn ich hungrig werde/Wird das Fleisch des Besatzers meine Nahrung sein.“
Im folgenden einige Notizen und Nachrichten aus Gaza, die die Autorin seit Beginn des Krieges erhalten hat. Informationssplitter aus einem verwüsteten Leben.
„Schreibt was IHR wollt, es beschreibt den Horror, das Ausmaß an Zerstörung NICHT“
13. Oktober
AS (Name ist der Autorin bekannt) hat viele Angehörige in Gaza. Die Familie stammt aus einem Dorf nordöstlich von Gaza, das 1948 von zionistischen Milizen gestürmt wurde. Knapp 500 Menschen lebten dort 1948. Diejenigen, die den Sturm der Milizen überlebten, wurden Flüchtlinge im Gazastreifen. Tage lang versuchte AS die Angehörigen zur Flucht in den Süden des Gazastreifens zu überreden. Doch viele waren nicht bereit, ihre Wohnungen und Häuser zu verlassen, andere nahmen ihre Ausweise und zogen Richtung Süden, ohne zu wissen, wo sie bleiben sollten. Die Menschen erwarteten jeden Moment die israelische Bodenoffensive, so AS: „Die Hölle wird ausbrechen“. (Quelle: privat)
Nachricht aus Gaza, 15.10.2023: „Wir haben Gaza Stadt verlassen und sind in den Süden gefahren. Der ist NICHT sicherer, ABER die Angriffe sind etwas weniger intensiv. Viele Bekannte von uns kamen bei den Angriffen ums Leben, LEIDER. Denkt bitte an uns. 2,5 Millionen Menschen sind der Weltgemeinschaft egal. Wären das Tiere, hätten die Tierschutzvereine dagegen protestiert. Mit vielen, sehr traurigen Grüßen“. (Quelle: bekannt)
16. Oktober
Tage lang hat Khalil M. (Name geändert) auf der ägyptischen Seite des Grenzübergangs Rafah gewartet. Er wartete auf seine Familie – Frau, Töchter, den Sohn – die im Gazastreifen von israelischen Bomben gejagt wird. Ihr Haus in Gaza Stadt ist zerstört, die Familie überlebte nur, weil sie seit Tagen Nacht für Nacht an anderen Orten geschlafen hatten. Bei Verwandten, bei anderen Verwandten, schließlich schlossen sie sich dem Zug der Unglücklichen an, die sich auf den Weg in den Süden des Gazastreifens machten, um den mörderischen Angriffen zu entgehen. Doch auch im Süden war es nicht sicher, wie sich bald herausstellte. Die Familie von Khalil M. bangte um ihr Leben und er bangte mit ihnen. Khalil hoffte, dass die Familie den Gaza-Streifen verlassen könnte, wenn die langersehnten Hilfsgüter aus Ägypten den Gaza-Streifen erreichen würden. Doch sie hatten sich getäuscht. Kein einziger Mensch wurde über die Grenze nach Ägypten evakuiert. Dafür erreichten die Hilfsgüter den Küstenstreifen unter Feuer. Israel bombardierte das Gebiet so intensiv und hart, wie an keinem der vorherigen Tage. Israelische Medien berichteten, das israelische Spezialkräfte in den Gazastreifen eingedrungen seien, während im Süden die Hilfsgüter über die Grenze fuhren. In den Hauptstädten der USA und Europas nennt man das „humanitären Korridor“. (Quelle: Autorin)
Nachricht aus Gaza, 17.10.2023: „Es ist 09:28 Uhr. Auch hier war die Nacht unruhig, aber wir sind noch am Leben. Der Wahnsinn, der Horror geht weiter und macht uns immer sprachloser. Wir wissen nicht, was von/mit uns (die Zivilbevölkerung) erwartet/geschehen wird. Hilflosigkeit, Lähmung, ausgeliefert Sein. Das fühlen wir gerade. Ich denke, dass die Weltgemeinschaft uns vergessen hat. Für sie sind wir, so scheint es mir – keine Menschen. Wenn es Tieren in Afrika wären, denen das geschieht, dann hätten die Tierschutzvereine dagegen protestiert. Das beweist, dass sie kein gutes Instrument für Gerechtigkeit geschaffen haben. Von Gerechtigkeit habe ich sehr oft gesprochen. Aber sie ist leider nur eine zweifelhafte Theorie, ein Spielzeug des Intellekts, mit dem wir uns trösten. Alles scheint mir absurd zu sein. Es dreht sich alles nur um wirtschaftliche Interessen und um Macht. Es geht weder um Menschenrechte noch um das humanitäre Rechtssystem. Das stimmt mich sehr traurig, macht mich wütend, verzweifelt, melancholisch und hoffnungslos. Leider. Bitte denkt an uns und erinnert Euch an uns. Die im Stich gelassene Zivilbevölkerung vom Gazastreifen.“ (Quelle: bekannt)
Nachricht aus Gaza, 18.10.2023: „Es ist 15:33 Uhr. Der Horror und der Wahnsinn gehen weiter und zwar mit Hilfe der USA, D, GB, F usw. Ich mache Euch einen kostenlosen Vorschlag: Werft heute Nacht einfach Giftgas über Gaza ab. Während wir schlafen. Dann ist alles vorbei. Oder werft eine Nuklearbombe in der Nacht auf Gaza ab. Dann ist Ruhe. Ich/wir kann/können dieses unbegrenzte Leiden NICHT mehr ertragen. Es reicht. Das langsame Sterben soll ein Ende haben. Und so soll sich die demokratische Welt über unseren Völkermord sehr freuen. Wenn wir dann tot sind, so werdet Ihr unsere Schuld bis in die Ewigkeit auf Euren Schultern tragen. Denn wir sind schon seit einigen Tagen in der Hölle. Vielleicht kommen wir nach dem Tod ins Jenseits, ins Paradies. Es ist 18:53 Uhr. Unsere Kräfte lassen nach. Wir fühlen uns von der ganzen Welt im Stich gelassen. Was soll die Zivilbevölkerung tun? Das Christliche Krankenhaus, das gestern zerstört wurde, ist der Beweis für den Völkermord. Dennoch wird die Tatsache verdreht.“ (Quelle: bekannt)
19. Oktober
Eine Gruppe von UN-Sonderberichterstattern verurteilen die Bombardierung von Krankenhäusern und Schulen im Gazastreifen und rufen auf, einen Völkermord zu verhindern.
Sie verweisen auf die Bombardierung des Al Ahli Arabischen Krankenhauses und auf eine UNRWA-Schule im Flüchtlingslager Al Maghazi am 17. Oktober. Der Angriff auf das Krankenhaus sei nach zwei Warnungen Israels erfolgt, in denen mitgeteilt wurde, dass ein Angriff auf das Krankenhaus unmittelbar bevorstehe, sollten die Menschen dort nicht evakuiert werden. „Der Angriff auf das Al Ahli Arab Hospital ist eine Gräueltat. Ebenso empört sind wir über den tödlichen Angriff am selben Tag auf eine UNRWA-Schule im Flüchtlingslager Al Maghazi, in dem etwa 4000 Vertriebene untergebracht sind, sowie auf zwei dicht besiedelte Flüchtlingslager“, heißt es in der Erklärung. Seit 16 Jahren halte die andauernde israelische Belagerung des Gazastreifens an, mit der 2,2 Millionen Menschen „der Zugang zu lebenswichtigen Nahrungsmitteln, Brennstoff, Wasser, Strom und Medikamenten verwehrt“ werde.
„Die vollständige Belagerung des Gazastreifens in Verbindung mit undurchführbaren Evakuierungsbefehlen und erzwungenen Bevölkerungstransfers stellt eine Verletzung des humanitären Völkerrechts und des Strafrechts dar. Außerdem ist sie unsagbar grausam“, so die Experten. „Wir schlagen Alarm: Es gibt eine laufende Kampagne Israels, die Verbrechen gegen die Menschheit in Gaza darstellt. In Anbetracht der Äußerungen führender israelischer Politiker und ihrer Verbündeten, die von Militäraktionen im Gazastreifen und einer Eskalation der Verhaftungen und Tötungen im Westjordanland begleitet werden, besteht auch die Gefahr eines Völkermords am palästinensischen Volk„, so die Experten. „Es gibt keine Rechtfertigungen oder Ausnahmen für solche Verbrechen. Wir sind entsetzt über die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft angesichts der Kriegstreiberei“, so die Experten. Das Feuer müsse sofort eingestellt, die Versorgung der Menschen und die physische Sicherheit der Zivilbevölkerung müsse gewährleistet werden. Der Appell endet mit dem Satz: „Die Besatzung muss beendet werden, und es muss Wiedergutmachung, Rückgabe und Wiederaufbau geben, um den Palästinensern volle Gerechtigkeit zu verschaffen“.
Anmerkung Autorin: Die UN-Experten berichten dem UN-Menschenrechtsrat in dessen Auftrag über das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und sanitäre Anlagen; über die Menschenrechte in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten seit 1967; über Gewalt gegen Frauen und Mädchen; über die Menschenrechte von Inlandsvertriebenen; über das Recht auf Nahrung; über das Recht eines jeden Menschen, den besten Standard physischer und psychischer Gesundheit zu genießen; über das Recht auf angemessenen Wohnraum und das Recht auf Bildung. Nichts davon ist im belagerten und jetzt bombardierten Gazastreifen oder in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten gesichert.
Nachricht aus Gaza, 20.10.2023: (Zur Erinnerung: Am 13. Oktober verließ der „bekannte“ nach der israelischen Warnung die Wohnung in Gaza Stadt und fuhr mit seiner Frau und fünf Kindern in den Süden. Das jüngste Kind wird in diesen Tagen ein Jahr alt.) „Wir sind fast in Rafah. Es geht uns gar nicht gut. Wir sind nirgendwo hier sicher. Die rote Linie wurde schon längst überschritten und die Welt schaut immer noch zu, wie wir ermordet und gemetzelt werden. Sie schaut nicht nur zu, sie unterstützt, hilft, nimmt in Schutz. Wahrheiten werden vertuscht und Tatsachen und Fakten werden verdreht. Das kränkt mich sehr. Der Tod lauert auf uns überall. Universitäten, Schulen, Moscheen, Kirchen, Bäckereien, alles wurde bereits bombardiert. Seit 10 Tagen gibt es keinen Strom, kein Trinkwasser, kein Wasser zum Waschen. Es gibt kein Kochgas, keine Brennstoffe. Lebensmittel werden knapp. Krankenhäuser haben kaum Materialien zur Versorgung von den Verletzten. Es gibt nicht genug Särge, um die Toten zu begraben. Die Ermordeten werden in Massengräbern, nicht auf Friedhöfen begraben. In Gärten und auf privaten Grundstücken. 45 Militärflugzeuge voller Hilfsgüter unterschiedlicher Art erreichten Israel und die Besatzungsarmee seit dem Anfang der Aqsa Flut. Im Gegensatz dazu hat kein arabisches Land gewagt, auch nur 1 Flasche Wasser nach Gaza zu bringen. 16 Christen starben als Folge der direkten israelischen Angriffe auf die griechisch-orthodoxe Kirche. Am Donnerstagabend bombardierten Besatzungskampfflugzeuge Hunderte Vertriebene in der griechisch-orthodoxen Kirche in Gaza-Stadt. Die Porphyrius-Kirche ist die drittälteste Kirche der Welt.“ (Quelle: bekannt)
23. Oktober
Information von AS: 15 Familienhäuser und -wohnungen wurden durch Bombenangriffe zerstört, darunter das Haus des Großvaters. Die Angehörigen konnten sich irgendwohin retten. Doch Freunde und deren Familien wurden getötet. (Quelle: Autorin)
24. Oktober
UNRWA – Situationsbericht Nr. 13 (UNRWA – Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge)
Im Gazastreifen werden fast 600.000 Inlandsvertriebene in 150 Einrichtungen der UNRWA beherbergt. Allein in Gaza Mitte, Khan Younis und Rafah sind fast 439.000 Inlandsvertriebene in 93 UNRWA-Zufluchtsorten. Allein in den letzten 24 Stunden stieg ihre Zahl um 10.000.
Im Westjordanland haben (23.10.2023) israelische Sicherheitskräfte (ISF) im Flüchtlingslager Jalazone, unweit von Ramallah, eine Such- und Verhaftungsoperation durchgeführt. Viele Personen wurden verhaftet, zwei palästinensische Flüchtlinge wurden getötet. Nach UN-Angaben wurden seit dem 7. Oktober im Westjordanland 93 Palästinenser getötet.
Gesamtsituation im Gazastreifen: seit dem 7. Oktober wurden 5.087 Personen getötet, darunter 2.055 Kinder, 1.119 Frauen und 217 ältere Personen. 15.273 Menschen wurden verletzt. 1.500 Personen werden vermißt, darunter 830 Kinder. (Quelle: Gesundheitsministerium Gaza). Die Schutzräume (für Palästinenser) sind völlig überfüllt. Viele neue Inlandsvertriebene schlafen auf den Straßen. Die Zahl der Inlandsvertriebenen in den UNRWA-Schutzräumen ist vier Mal so hoch, wie ursprünglich von UNRWA (für die Schutzräume) vorgesehen.
Israel: Fast 1400 Israelis und Ausländer wurden in Israel getötet, die meisten am 7. Oktober. (Quelle: Israelische Behörden). Anmerkung der Autorin: In Israel gibt es Bunker als Schutzräume. Inlandsvertriebene und Evakuierte werden in Hotelanlagen untergebracht.
24. Oktober
Die getöteten Kinder in Gaza sind „ein wachsender Schandfleck auf unserem kollektiven Gewissen“.
So lautet die Überschrift einer Presseerklärung des UN-Hilfswerks für Kinder, UNICEF. Gefordert werden ein sofortiger Waffenstillstand und ein dauerhafter und ungehinderter Zugang für humanitäre Hilfe.
In den vergangenen 18 Tagen habe der Gazastreifen einen verheerenden Tribut von seinen Kindern gefordert, heißt es in einer Erklärung von UNICEF, dem UN-Hilfswerk für Kinder: 2.360 tote und 5.364 verletzte Kinder seien auf die „unerbittlichen Angriffe zurückzuführen“. Berichten zufolge würden täglich “mehr als 400 Kinder getötet oder verletzt“. In Israel hätten mehr als 30 Kinder ihr Leben verloren, Dutzende seien im Gazastreifen in Gefangenschaft. Nahezu jedes Kind im Gazastreifen sei durch schreckliche Erlebnisse, durch die immense Zerstörung, die unerbittlichen Angriffen, die Vertreibung und den schweren Mangel an lebensnotwendigen Gütern wie Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten schwer traumatisiert. „Die Tötung und Verstümmelung von Kindern, die Entführung von Kindern, die Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen sowie die Verweigerung des Zugangs zu humanitärer Hilfe stellen schwere Verletzungen der Kinderrechte dar“, so eine UNICEF-Sprecherin. „Zivilbevölkerung – vor allem die Kinder – müssen geschützt werden.“
Nachricht aus Gaza, 23.10.2023: „Hallo, die Nachrichten sprechen von noch intensiveren Angriffen. So ist es. Nun werden noch mehr Bomben auf Gaza abgeworfen und alles im Zeichen der Selbstverteidigung. Ich schäme mich sehr für diese Welt, für diese Länder, die Opfer und Täter bzw. Ursache und Wirkung ständig verdrehen. Ob das wohl beabsichtigt ist? Für uns bedeutet es, noch mehr Tote und Verletzte. Ich kann es nicht verstehen, dass die Weltgemeinschaft blind ist. Wenn IL (d.h. Israel, kl) keine Verbrechen begangen hat bzw. begeht, warum dürfen Journalisten NICHT nach GAZA fahren? Waffenstillstand, ja das wünschen wir uns auch, ABER die Vampire sind immer noch sehr durstig nach unserem Blut. Aktuell wird der Norden des Gaza Streifens, der Osten, der Westen (Grenzregionen), da wird alles, wirklich Alles zerstört. Grauenhafte Bombardierungen, Horror. Schreibt was IHR wollt, es beschreibt den Horror, das Ausmaß an Zerstörung NICHT.“ (Quelle: bekannt)
Nachtrag 25.10.2023:
Während dieser Text die letzte Bearbeitung erhält, sendet ein Freund und Kollege eine weitere Nachricht aus Gaza. Das Video zeigt einen älteren Mann mit Schutzweste, auf der „Press“ steht. Es ist Wael Dahdouh, der Büroleiter von Al Jazeera in Gaza. Weinend kniet er neben einem toten jungen Mann, dem er über das Gesicht streicht. Der Tote ist sein Sohn Mahmoud, der bei einem gezielten israelischen Luftangriff auf das Haus der Familie Dahdouh getötet wurde. Mit ihm starben seine Mutter und seine kleine Schwester Shams. Der fünfzehnjährige Mahmoud stand vor dem Schulabschluss und wollte Journalist werden, wie sein Vater. Die Tochter Shams war sieben Jahre alt. Wael Dahdouh war mit seiner Familie in das Flüchtlingslager Nuseirat umgezogen, nachdem Israel die Menschen aufgefordert hatte, Gaza Stadt zu verlassen. „Es ist klar, was passiert ist“, so Dahdouh später zu Kollegen. „Es ist eine Serie von gezielten Angriffen auf Kinder, Frauen und Zivilisten.“ Er habe über einen Angriff auf das Yarmouk Viertel in Gaza Stadt berichtet, doch die israelischen Angriffe hätten viele Gebiete ins Visier genommen. „Auch Nuseirat“, so Dahdouh. „Das ist das “sichere” Gebiet, von dem die Besatzungsarmee gesprochen hat.“
Zum Bericht auf Al Jazeera über den Tod der Familie ihres Korrespondenten Wael Dahdouh.